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Lokale und tief wirkende Mittel

Von Douglas Wilson

Das folgende Fallbeispiel zeigt sehr schön, wie effektiv ein lokales Mittel wirkt, macht aber ebenso deutlich, wie kurzlebig diese Wirkung sein kann. Ein tief wirkendes Mittel wird dann gebraucht, um den Heilungsprozess abzuschließen. Die Patientin ist Sam, eine sechs Jahre alte, nicht kastrierte Staffordshire Bull Hündin, bei der ein Sicca-Syndrom (Trockenes Auge) diagnostiziert wurde. Weil die konservative Behandlung bei der Hündin nicht anschlug, wurde sie zu mir gebracht.

09.11.2010: Erstanamnese

Die Hauptbeschwerde ist eine dicke, weiße Absonderung aus dem rechten Auge. Die Diagnose Sicca-Syndrom wurde bereits gestellt.

Die Beschwerden hatten sechs Monate zuvor begonnen, nachdem eine gutartige Zyste operativ entfernt worden war.

Sam reibt ihre Augen an Möbeln und den Beinen anderer Leute.

Sie wird zurzeit mit einer 1% Ciclosporin-Lösung und Augentropfen zur Befeuchtung behandelt.

 

Patientengeschichte

Die Hündin wurde routinemäßig und jährlich geimpft, zusätzlich erhielt sie eine Prophylaxe gegen Hundeherzwurm. Mehrmals hatte sie Sohlengeschwüre gehabt. Nach einem Zwingeraufenthalt im Jahr 2006 hatte sie eineLeckdermatitis am linken Carpus entwickelt. 2008 hatte sie sich im Anschluss an eine Impfung mehrere Tage hintereinander erbrochen. Im selben Jahr war eine Scheinschwangerschaft festgestellt worden. Mitte 2010 wurde am rechten Hinterlauf eine gutartige Zyste entfernt.

Körperliche Befunde

Die Untersuchung zeigte Hornhautabschürfungen an beiden Augen. Der Fluoreszein-Test war positiv. Sam reagierte empfindlich auf Lichteinwirkung. Von der Absonderung des rechten Auges wurde eine Probe genommen.

Am linken Vorderlauf war eine verdickteLeckdermatitis zu sehen.

Gemüt

Sam wurde als unabhängige Hündin beschrieben. Sie ist lebhaft und möchte ihren Menschen gefallen. Sie weiß, wenn sie etwas falsch gemacht hat. Sie wurde nie ausgebildet. Ihre Besitzer sagen, dass sie das nicht gebraucht hat. Obwohl sie eine sehr lebhafte Hündin ist, sitzt sie manchmal einfach nur da und tut nichts. Sie schnarcht im Schlaf.

Erste Verschreibung

In der Praxis war viel los und nur wenig Zeit für eine Repertorisation. Wir beschlossen zu diesem Zeitpunkt nur die Hauptbeschwerde zu behandeln und die Hündin eine Woche später nochmals zu untersuchen. Kali mur. D6 wurde verordnet und sollte 4x täglich oral gegeben werden. Wir empfahlen den Besitzern auch das Ciclosporin nicht mehr so häufig anzuwenden.

Kommentar: Kalium muriaticum wurde aufgrund der auffallenden, weißen, zähen und klebrigen Absonderung verordnet. Auch andere, weniger spezifische Symptome wurden für die Verschreibung hinzugezogen, z.B. die Hornhautveränderungen. Die C6 wurde gewählt, um eine breitgefächerte, lokale Wirkung zu erzielen.

15.11.2010: Folgetermin

Sams Augen hatten sich merklich gebessert. Die Absonderungen traten nur noch ab und zu auf. Die Hündin hatte aufgehört, sich zu scheuern. Sie war auch wieder aktiver und schien allgemein zufriedener zu sein.

Verschreibung: Kali. Mur. D6 weiter geben und das Ciclosporin absetzen.

Kommentar: Die Symptome hatten sich mehr als erwartet gebessert. Das Mittel soll weiter gegeben, das Ciclosporin aber abgesetzt werden.

19.11.2010: Dritter Termin

Die Besitzer hatten einen Termin vereinbart, weil sich der Zustand der Hündin wieder deutlich verschlechtert hatte. Die Absonderungen aus dem Auge hatten zugenommen und Sam musste sich wieder am Teppich scheuern.

Verschreibung: Euphrasia Augentropfen wurden zur lokalen Anwendung verschrieben und außerdem Ignatia LM2 zur oralen Gabe 2x täglich.

Kommentar: Die plötzliche Verschlechterung deutete darauf hin, dass das lokale Mittel nicht mehr ausreichend wirkte, vor allem, nachdem das Ciclosporin abgesetzt wurde. Jetzt mussten wir auch die konstitutionellen Merkmale der Patientin berücksichtigen. Ihre Vorgeschichte ließ vermuten, dass sie ein sehr sensibles Wesen hat: Sie hatte eine Stress bedingteLeckdermatitis entwickelt (die Zeit in einer Hundepension hatte anscheinend immer noch Auswirkungen auf sie) und ein Sicca-Syndrom nach einem chirurgischen Eingriff (der für sie ebenfalls stressig gewesen sein musste). Dieser Stress bereitete ihr viel Kummer, der in körperlichen Symptomen zum Ausdruck gebracht wurde. Außerdem war sie eine sehr nachgiebige Hündin. Das Mittel Ignatia ist zwar nicht in den Rubriken ‚Gemüt; Verlangen, anderen eine Freude zu bereiten, sie zufriedenzustellen‘ und ‚Gemüt; Unabhängigkeit, Selbstständigkeit‘ aufgelistet, wurde aber trotzdem in Betracht gezogen. Die entsprechenden Rubriken sind zu klein, um Ignatia aufgrund der fehlenden Auflistung auszuschließen. Auch ist Ignatia im Synthesis v5 nicht unter ‚Allgemeines; Impfen, Beschwerden nach‘ aufgeführt. Vielleicht wird es in späteren Ausgaben gelistet sein.

Euphrasia wurde zusätzlich verordnet, um den Heilungsprozess zu unterstützen und die lästigen Augensymptome zu lindern.

08.12.2010: vierter Termin

Drei Wochen nach der ersten Gabe Ignatia trat eine Besserung am Auge ein. Die Absonderungen wurden weniger, die Photophobie ließ nach und Sam musste sich nicht mehr so oft scheuern. Sie konnte morgens ihre Augen öffnen, zuvor mussten beide Augen zuerst feucht ausgewischt werden.

Verschreibung: Ignatia LM3 2x täglich

Kommentar: Gute Reaktion auf die Verordnung, das Mittel wird in einer höheren Potenz weiter gegeben.

30.12.2010: fünfter Termin

Diesmal waren die Hornhautabschürfungen vollständig geheilt. Keine Photophobie. DieLeckdermatitis war trocken und heilte ab.

Verschreibung: Ignatia LM4 2x täglich, 21 Tage lang, dann 1x täglich bis die Flasche leer ist.

Kommentar: Beide Krankheitsbilder – Auge und Leckdermatitis – heilen ab. Eine gute Reaktion auf das Mittel. Die Behandlung wird fortgesetzt bis Auge und Granuloma völlig abgeheilt sind, dann erfolgt eine Kontrolle.

31.01.2011: sechster Termin

Beide Augen waren normal und Sams Leckdermatitis vollständig abgeheilt.

Kommentar: Ignatia hat wohl zur vollständigen Heilung geführt, eine weitere Behandlung ist zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig.

10.08.2011: Follow-up

Sams Augen und Bein sind in Ordnung. In den letzten Monaten war keine Behandlung nötig.

Kommentar: Keine weitere Behandlung notwendig.

Diskussion: Lokal wirkende Mittel können erfolgreich eingesetzt werden, um eine Behandlung zu unterstützen. Das vorliegende Fallbeispiel hat jedoch gezeigt, dass der Effekt sehr kurzlebig sein kann. Das tiefer wirkende Mittel heilte nicht nur die Hauptbeschwerde (das Sicca-Syndrom), sondern auch die chronische Leckdermatitis, welche von den Besitzern als nicht heilbar eingeschätzt worden war.

Photo: Wikimedia Commons
Staffordshire bullterrier; Spcenter; CC BY-SA 3.0

 *************************************************

Kategorie: Fälle

Schlüsselwörter: Sicca-Syndrom, Sohlengeschwür, Leckdermatitis, Schwangerschaft, Photophobie

Mittel: Ignatia, Kalium muriaticum

Originalartikel: Interhomeopathy.org

Lokale und tief wirkende Mittel

Von Douglas Wilson

Das folgende Fallbeispiel zeigt sehr schön, wie effektiv ein lokales Mittel wirkt, macht aber ebenso deutlich, wie kurzlebig diese Wirkung sein kann. Ein tief wirkendes Mittel wird dann gebraucht, um den Heilungsprozess abzuschließen. Die Patientin ist Sam, eine sechs Jahre alte, nicht kastrierte Staffordshire Bull Hündin, bei der ein Sicca-Syndrom (Trockenes Auge) diagnostiziert wurde. Weil die konservative Behandlung bei der Hündin nicht anschlug, wurde sie zu mir gebracht.

09.11.2010: Erstanamnese

Die Hauptbeschwerde ist eine dicke, weiße Absonderung aus dem rechten Auge. Die Diagnose Sicca-Syndrom wurde bereits gestellt.

Die Beschwerden hatten sechs Monate zuvor begonnen, nachdem eine gutartige Zyste operativ entfernt worden war.

Sam reibt ihre Augen an Möbeln und den Beinen anderer Leute.

Sie wird zurzeit mit einer 1% Ciclosporin-Lösung und Augentropfen zur Befeuchtung behandelt.

 

Patientengeschichte

Die Hündin wurde routinemäßig und jährlich geimpft, zusätzlich erhielt sie eine Prophylaxe gegen Hundeherzwurm. Mehrmals hatte sie Sohlengeschwüre gehabt. Nach einem Zwingeraufenthalt im Jahr 2006 hatte sie eineLeckdermatitis am linken Carpus entwickelt. 2008 hatte sie sich im Anschluss an eine Impfung mehrere Tage hintereinander erbrochen. Im selben Jahr war eine Scheinschwangerschaft festgestellt worden. Mitte 2010 wurde am rechten Hinterlauf eine gutartige Zyste entfernt.

Körperliche Befunde

Die Untersuchung zeigte Hornhautabschürfungen an beiden Augen. Der Fluoreszein-Test war positiv. Sam reagierte empfindlich auf Lichteinwirkung. Von der Absonderung des rechten Auges wurde eine Probe genommen.

Am linken Vorderlauf war eine verdickteLeckdermatitis zu sehen.

Gemüt

Sam wurde als unabhängige Hündin beschrieben. Sie ist lebhaft und möchte ihren Menschen gefallen. Sie weiß, wenn sie etwas falsch gemacht hat. Sie wurde nie ausgebildet. Ihre Besitzer sagen, dass sie das nicht gebraucht hat. Obwohl sie eine sehr lebhafte Hündin ist, sitzt sie manchmal einfach nur da und tut nichts. Sie schnarcht im Schlaf.

Erste Verschreibung

In der Praxis war viel los und nur wenig Zeit für eine Repertorisation. Wir beschlossen zu diesem Zeitpunkt nur die Hauptbeschwerde zu behandeln und die Hündin eine Woche später nochmals zu untersuchen. Kali mur. D6 wurde verordnet und sollte 4x täglich oral gegeben werden. Wir empfahlen den Besitzern auch das Ciclosporin nicht mehr so häufig anzuwenden.

Kommentar: Kalium muriaticum wurde aufgrund der auffallenden, weißen, zähen und klebrigen Absonderung verordnet. Auch andere, weniger spezifische Symptome wurden für die Verschreibung hinzugezogen, z.B. die Hornhautveränderungen. Die C6 wurde gewählt, um eine breitgefächerte, lokale Wirkung zu erzielen.

15.11.2010: Folgetermin

Sams Augen hatten sich merklich gebessert. Die Absonderungen traten nur noch ab und zu auf. Die Hündin hatte aufgehört, sich zu scheuern. Sie war auch wieder aktiver und schien allgemein zufriedener zu sein.

Verschreibung: Kali. Mur. D6 weiter geben und das Ciclosporin absetzen.

Kommentar: Die Symptome hatten sich mehr als erwartet gebessert. Das Mittel soll weiter gegeben, das Ciclosporin aber abgesetzt werden.

19.11.2010: Dritter Termin

Die Besitzer hatten einen Termin vereinbart, weil sich der Zustand der Hündin wieder deutlich verschlechtert hatte. Die Absonderungen aus dem Auge hatten zugenommen und Sam musste sich wieder am Teppich scheuern.

Verschreibung: Euphrasia Augentropfen wurden zur lokalen Anwendung verschrieben und außerdem Ignatia LM2 zur oralen Gabe 2x täglich.

Kommentar: Die plötzliche Verschlechterung deutete darauf hin, dass das lokale Mittel nicht mehr ausreichend wirkte, vor allem, nachdem das Ciclosporin abgesetzt wurde. Jetzt mussten wir auch die konstitutionellen Merkmale der Patientin berücksichtigen. Ihre Vorgeschichte ließ vermuten, dass sie ein sehr sensibles Wesen hat: Sie hatte eine Stress bedingteLeckdermatitis entwickelt (die Zeit in einer Hundepension hatte anscheinend immer noch Auswirkungen auf sie) und ein Sicca-Syndrom nach einem chirurgischen Eingriff (der für sie ebenfalls stressig gewesen sein musste). Dieser Stress bereitete ihr viel Kummer, der in körperlichen Symptomen zum Ausdruck gebracht wurde. Außerdem war sie eine sehr nachgiebige Hündin. Das Mittel Ignatia ist zwar nicht in den Rubriken ‚Gemüt; Verlangen, anderen eine Freude zu bereiten, sie zufriedenzustellen‘ und ‚Gemüt; Unabhängigkeit, Selbstständigkeit‘ aufgelistet, wurde aber trotzdem in Betracht gezogen. Die entsprechenden Rubriken sind zu klein, um Ignatia aufgrund der fehlenden Auflistung auszuschließen. Auch ist Ignatia im Synthesis v5 nicht unter ‚Allgemeines; Impfen, Beschwerden nach‘ aufgeführt. Vielleicht wird es in späteren Ausgaben gelistet sein.

Euphrasia wurde zusätzlich verordnet, um den Heilungsprozess zu unterstützen und die lästigen Augensymptome zu lindern.

08.12.2010: vierter Termin

Drei Wochen nach der ersten Gabe Ignatia trat eine Besserung am Auge ein. Die Absonderungen wurden weniger, die Photophobie ließ nach und Sam musste sich nicht mehr so oft scheuern. Sie konnte morgens ihre Augen öffnen, zuvor mussten beide Augen zuerst feucht ausgewischt werden.

Verschreibung: Ignatia LM3 2x täglich

Kommentar: Gute Reaktion auf die Verordnung, das Mittel wird in einer höheren Potenz weiter gegeben.

30.12.2010: fünfter Termin

Diesmal waren die Hornhautabschürfungen vollständig geheilt. Keine Photophobie. DieLeckdermatitis war trocken und heilte ab.

Verschreibung: Ignatia LM4 2x täglich, 21 Tage lang, dann 1x täglich bis die Flasche leer ist.

Kommentar: Beide Krankheitsbilder – Auge und Leckdermatitis – heilen ab. Eine gute Reaktion auf das Mittel. Die Behandlung wird fortgesetzt bis Auge und Granuloma völlig abgeheilt sind, dann erfolgt eine Kontrolle.

31.01.2011: sechster Termin

Beide Augen waren normal und Sams Leckdermatitis vollständig abgeheilt.

Kommentar: Ignatia hat wohl zur vollständigen Heilung geführt, eine weitere Behandlung ist zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig.

10.08.2011: Follow-up

Sams Augen und Bein sind in Ordnung. In den letzten Monaten war keine Behandlung nötig.

Kommentar: Keine weitere Behandlung notwendig.

Diskussion: Lokal wirkende Mittel können erfolgreich eingesetzt werden, um eine Behandlung zu unterstützen. Das vorliegende Fallbeispiel hat jedoch gezeigt, dass der Effekt sehr kurzlebig sein kann. Das tiefer wirkende Mittel heilte nicht nur die Hauptbeschwerde (das Sicca-Syndrom), sondern auch die chronische Leckdermatitis, welche von den Besitzern als nicht heilbar eingeschätzt worden war.

Photo: Wikimedia Commons
Staffordshire bullterrier; Spcenter; CC BY-SA 3.0

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Kategorie: Fälle

Schlüsselwörter: Sicca-Syndrom, Sohlengeschwür, Leckdermatitis, Schwangerschaft, Photophobie

Mittel: Ignatia, Kalium muriaticum

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