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Homöopathie und Legasthenie

von Maarten van der Meer

Was ist Legasthenie?

„Legasthenie“ bedeutet Wortblindheit oder Leseblindheit; diese Störung hat mit der Unfähigkeit zu tun, Buchstaben zu erkennen, Wörter aus Buchstaben zu formen und Sätze in einer Ansammlung von Wörtern zu erkennen. Diese Problematik wurde in den letzten Jahrzehnten zunehmend erforscht. Für Legastheniker kann das Erkennen von Bildern, Symbolen und sogar von gesprochenen Worten ein großes Problem sein, obwohl bekannt ist, dass diese Schwierigkeiten nicht mit der Intelligenz und der Fähigkeit, Sinneseindrücke zu speichern, zusammenhängen. Legasthenikern fällt es u.U. schwer, Ideen in Worte umzusetzen; abstrakte Begriffe, Gefühle oder Assoziationen können sie nur schwer in Worte fassen. Daraus folgen Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben, was wiederum zu Lernschwierigkeiten und Frustrationen, und letztendlich zur Einschränkung sozialer Kontakte führen kann.

Lernprozesse sind mit Wachstumsprozessen im Gehirn verbunden. Die Nervenzellen mit ihren Axonen stehen über Synapsen miteinander in Kontakt, es besteht eine Art elektrisches Netzwerk, das der Erregungsleitung dient. So kann Gelerntes automatisiert werden. Möglicherweise ist Legasthenie die Folge einer Störung bzw. Dysfunktion dieser Prozesse.

 

Was kann die Homöopathie?

Es ist bekannt, dass eine homöopathische Behandlung sich positiv auf Konzentration, Aufmerksamkeit, Ruhe und Ausgeglichenheit auswirken kann. Oft beobachtet man bei Legasthenie nach einer homöopathischen Konstitutionsbehandlung eine deutliche Besserung, und in manchen Fällen verschwindet das Problem vollständig. Legasthenie passt zu den Themen der Lanthanide und der Malvengewächse.

Legastheniker fühlen sich oft „anders“, ausgegrenzt oder allein, da es ihnen schwer fällt, Ideen und Worten zu verstehen und auszudrücken. Oft haben Legastheniker eine spezielle Art des Denkens und der Wortwahl. Das Bedürfnis, die Dinge auf ihre besondere Art zu tun und ihren eigenen Weg zu gehen kann hier ein Hinweis auf die Lanthanide sein. Andererseits kann dieses „zu autonome“ Verhalten auch auf mangelnden Kontakt mit dem sozialen Umfeld aufgrund zu geringer neuronaler Vernetzung deuten.

Malvenmittel passen zu Menschen, die eine starke non-verbale Kommunikation entwickelt haben, weil sie die Welt „fühlen“ wollen, oder weil sie diese Fähigkeiten wegen ihrer Legasthenie brauchen. Sie reagieren emotional sehr empfindlich auf äußere Eindrücke, und deshalb verschließen sie sich. Malvenartige erleben ihre Umwelt über das Gefühl, sie strecken ihre Fühler aus. Darum brauchen sie Worte nicht so dringend. Hier geht es um das Thema „non-verbal“, und dieses kann den Umständen entsprechend entweder Ursache oder Folge sein. Die Kommunikation der Malvengewächse entspricht der Art, wie Legastheniker mit Worten umgehen: sie machen eine Bestandsaufnahme von Eindrücken, ohne diese zu interpretieren.

Die folgenden Fälle zeigen, wie die besondere Erfahrung der Legasthenie zu heilenden  Verordnungen geführt hat.
 

Kind beim Lernen


Fall 1:
Caesium muriaticum: „Ich sehe plötzlich Worte!“

- Hinweis für diesen Fall: Der Autor bezeichnet Caesium zwar als Lanthanid, was jedoch physikalisch nicht korrekt ist. Allerdings kann es durch die unmittelbare Nähe auch als Stadium 1-Mittel der Lanthaniden gesehen werden kann. -

Der Patient ist ein acht Jahre alter Junge mit Entwicklungsstörungen, Unruhe und Konzentrationsstörungen. Bereits im Kleinkindalter wurde bei ihm Legasthenie und Farbenblindheit diagnostiziert, und in der Schule galt er als ADHS-Kind. Er ist ein fröhliches und freundliches Kind, sensibel und aufmerksam: er nimmt alles auf und hört jedes Geräusch. Jeder ist sein Freund und er teilt alles. Seine Sprachentwicklung ist verzögert, und in der Schule hat er Konzentrationsschwierigkeiten und ist unruhig und ständig in Bewegung. So wird aus seinem Stift schnell ein „Rennauto“.
Seine Lern- und Sprachprobleme lassen sein Selbstvertrauen schwinden, und er sagt: „Ich bin der dümmste in der Klasse!“ Seine Mutter ist sehr einfühlsam mit ihm und kommuniziert mit ihm auf seiner Ebene, was er gerne mag. Er fühlt sich „eins“ mit seiner Mutter, warm und gemütlich. Sie ist allein erziehend - ihr Partner verließ sie nach Auseinandersetzungen wegen seines Drogenkonsums - und sie muss sich allein um die Finanzen und die Erziehung ihrer Kinder kümmern. Sie reagiert sehr direkt auf Gefühle und Eindrücke und scheint leicht beeinflussbar zu sein, sowohl von ihren eigenen Emotionen als auch von ihrer Umgebung. Sie nimmt bedenkenlos alles an, um sich und ihr Kind zu unterstützen.

Ihr Sohn ist wie ein verspielter Welpe. Oft übernimmt er die Beschwerden von Menschen, die ihm nahe stehen, z. B. entwickelt er die gleichen Beschwerden wie sein Freund. Seine Mutter wundert sich, dass er die familiären Probleme überhaupt nicht bemerkt: „Er macht immer das Beste aus allem.“ Im Sport ist er sehr impulsiv. Seine Mutter sagt: „Er ist kein Mitläufer!“

Die Schwangerschaft war geprägt vom täglichen Leben der Mutter. Die Geburt ging nicht voran, bis die Mutter Wunderöl (Rizinusöl) einnahm, daraufhin kam das Kind schnell. In den ersten drei Monaten konnte sich die Mutter nicht an ihn gewöhnen und wollte ihn nicht akzeptieren, weil er nicht wie ihre anderen Kinder aussah. Doch nach drei Monaten „verliebte“ sie sich plötzlich in ihn und ist es heute noch.
 

Analyse: Die Erfahrung lehrt uns, dass die wichtigsten Symptome diejenigen sind, die uns - unter Berücksichtigung der Beschwerden, der Ursache und des subjektiven Erlebens bzw. der objektiven Erfahrung  - am genauesten zum passenden Mittel führen. In dieser Familie ist die Mutter auf sich selbst gestellt, muss ihre eigenen Entscheidungen treffen, und ist sich der Schattenseiten (Drogen, Armut) bewusst. Mutter und Kind sind unabhängig und müssen für sich selbst sorgen. Sie sind hilfsbereit und sensibel für andere Menschen - all das passt zu den Lanthaniden. Mutter und Sohn sind spontan, offen, impulsiv und naiv.

Das Thema Unabhängigkeit und Autonomie (Lanthanide) hat für das Kind bereits im Mutterleib begonnen. In den ersten drei Monaten seines Lebens hatte es keinen intensiven Kontakt (Lanthanide) mit seiner Mutter oder der Kinderpflegerin (muriaticum). Geburt: die Mutter wollte ihn zunächst nicht loslassen (Stadium 17), doch nach der Einnahme von Wunderöl vollzog sich die Geburt blitzschnell (Stadium 1). Seine fröhliche, impulsive, spontane Art und sein „magisches Denken“ zusammen mit seiner Unabhängigkeit im Denken und seiner Wortwahl ließ mich Caesium in Betracht ziehen. Eine  eigenständige, spontane Mutter bestätigte die Verschreibung von Caesium muriaticum. Jan Scholten bezeichnet die Lanthanidenmittel als starke Helfer bei Legasthenie, vor allem die Lanthan-Salze.
 

Verordnung: Caesium muriaticum MK, Einmalgabe

Follow-up einen Monat nach der Mittelgabe: Bei der letzten Konsultation gab er sich liebenswürdig und wartete, bis man sich ihm zuwandte, drehte sich dann auf seinem Stuhl um und fragte: „Warum bin ich hierher gekommen?“
Diesmal sagt er auf Anhieb, dass es ihm besser geht, und dass er sich jetzt besser konzentrieren kann. Seine Mutter hatte schon eine Weile mit ihm Lesen geübt, aber am zweiten Tag nach der Mittelgabe rief er überrascht: „Ich kann plötzlich Wörter erkennen!“ Bis dahin waren es für ihn einzelne Buchstaben gewesen, die er nur mit Mühe entziffern konnte, und die ihn auch nicht interessierten.

Insgesamt ist der Umgang mit ihm einfach; er ist leicht zu motivieren und bringt zu Ende, was er einmal begonnen hatte. Er tut, was man ihm sagt, was zuvor nicht der Fall gewesen war. Jetzt möchte er gerne lesen. Im folgenden Jahr zeigen sich erhebliche Verbesserungen in der Schule und in seinem Allgemeinverhalten.

Buchstaben im Kopf


 

Fall 2:

Dirca palustris: „Wow, ich kann endlich hören, wie die Wörter geschrieben werden.“

Eine 40jährige Frau kommt wegen Rücken- und Gelenkschmerzen sowie Hyperventilation. Sie ist schlecht gelaunt und reagiert aggressiv, und um die Menstruation herum hat sie oft Schmerzen und sieht alles in einem negativen Licht. Es fehlt ihr an Vertrauen.

„In der Schule war ich infolge meiner Legasthenie völlig überfordert, auch was die sozialen Kontakte anging. Ich hatte das Gefühl, dass alle gegen mich waren. Das machte mich unsicher und unruhig. Manchmal konnte ich nicht die richtigen Worte finden. In der Schule wurde ich immer gehänselt, und zu Hause saß ich wütend in meinem Zimmer. Ich fiel in meinen Leistungen ab, weil ich nicht gut lesen konnte; ich wurde von einer Schule zur anderen geschickt und musste einen Test nach dem anderen machen. Oft dachte ich: „Was ist hier eigentlich los?“ Zu Hause wurde nie über mein Problem gesprochen, meine Eltern sagten mir nur immer, ich solle mein Bestes tun.
Es fällt mir schwer, die Initiative zu ergreifen oder mich auf eine Auseinandersetzung einzulassen. Ich reagiere empfindlich auf alles - auf Stimmungen, auf das, was andere Menschen denken. Wenn ich etwas anfange, stürze ich mich mit Begeisterung darauf und möchte gerne helfen, aber dann blockiere ich und muss alles aufschreiben. Niemand darf bemerken, dass ich es nicht schaffe (verbergen, Stadium 4; beginnen und dann zögern, Stadium 4). Ich arbeite in der Pflege, aber ich möchte den Arbeitsplatz wechseln. Ich habe große Selbstzweifel, mir viele Gedanken und brauche lang, bis ich eine Entscheidung treffe. Ich weiß, was ich will, aber ich traue mich nicht, meine eigene Meinung zu äußern. Ich schwitze unter den Armen, wenn ich mit jemandem spreche.“

Wovon träumen Sie?
„Von Menschen aus meiner Vergangenheit."

Sie macht einen verletzlichen, ängstlichen Eindruck, und zeigt ein entwaffnendes Lächeln. Sie scheint ihr Gegenüber mit dem ganzen Gesicht und nicht nur mit den Augen wahrzunehmen. Ihr Gesichtsausdruck wirkt oft überrascht. Auf die Frage, ob sie ein Gespür für die Dinge habe, sagt sie: „Ja, ich weiß immer was mit meinen Eltern los ist, z. B. gesundheitlich. Ich habe ein Gespür für die Atmosphäre an einem Ort. Wegen meiner Unsicherheit fühlen sich andere Menschen mir oft überlegen, und ich traue mich nicht, meine Meinung zu äußern. Aber von Natur aus bin ich eher direkt - früher habe ich immer alles gerade heraus gesagt, jetzt behalte ich die Dinge lieber für mich.“
   

Analyse: Malvengewächse: Behalten das, was sie sagen wollen, für sich. Angst vor dem, was sie sagt, unklares Reden. Starker non-verbaler Denkansatz. Weiche, einfühlsame Patientin.
Stadium 3-4-5: Unsicherheit, geringes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl.
Verschlossen, schafft sich eine eigene Welt, kann ihre Grenzen schlecht wahren: Stadium 4, Dirca palustris. Verletzlich, aufnahmefähig, sorgt für andere, wirkt überrascht, Selbstzweifel: Stadium 4, Dirca palustris. Andere Fälle von Dirca palustris bestätigen dessen Platz in
Stadium 4.

 

Verordnung: Dirca palustris MK, eine Dosis

 
Follow-up nach einem Monat: Sie schneidet Grimassen, um feine Zwischentöne  auszudrücken und zu erklären, was sie gerade erlebt. Innerlich weiß sie, was sie sagen will, aber sie sucht noch immer nach Worten, um der Außenwelt ihre Gefühle zu „übersetzen“. Zu Hause ist sie friedfertiger und nicht mehr so unfreundlich zu ihrem Mann und den Kindern. Sie hat trockene Haut an den Waden, die manchmal richtig hart wird und Krusten bildet. Ihre Menstruation verlief diesmal schmerzlos, obwohl sie wie früher überempfindliche Brüste und etwas Akne hatte. Sie sagt, dass sich ihre Gelenke besser anfühlen, und dass ihr das Lesen jetzt leichter fällt.
 

Follow-up vier Monate später: „Ich habe keine Angst mehr zu sprechen und fürchte nicht mehr, dass ich stottern werde. Wenn ich nicht die richtigen Worte finden kann, denke ich nur: „In Ordnung, wir verstehen uns trotzdem.“ Ich kann meine Gefühle besser ausdrücken und gehe mehr auf die Menschen zu. Ich nehme an einer Studie teil.
Die Legasthenie ist viel besser, und es fällt mir jetzt leichter zu schreiben. Jetzt kann ich aus dem Klang eines Wortes heraushören, wie es geschrieben wird, z. B. mit Doppelkonsonant oder nicht. Es ist erstaunlich - jetzt kann ich es wirklich hören! Das Lesen fällt mir leichter und geht schneller. Ich lese jetzt nicht mehr nur die Schlagzeilen - ich lese den ganzen Artikel. Heute kann ich einen Text verstehen, früher war es nur ein Durcheinander von Wörtern, in denen ich keinen Sinn erkennen konnte. Die Legasthenie hat mich viel Energie gekostet - ich musste immer 200%tig am Ball sein.“

Die folgenden drei Jahre verliefen sehr gut. Infolge von familiären Problemen kehrte ihre Legasthenie kurzfristig zurück; ihr konnte jedoch schnell mit Althea (aus der Familie der Malvenartigen, Stadium 2 ) geholfen werden.

Meine Diffenzierung der Stadien der Malvengewächse unterscheidet sich von der von Jan Scholten.

Dieser Artikel wurde auf www.interhomeopathy.org publiziert.

Foto: shutterstock.com

Kategorie: Fälle
Schlüsselwörter: Legasthenie, non-verbale Kommunikation, Isolation, Unsicherheit, Lernschwierigkeiten, Lanthanide, Caesium muriaticum, Dirca palustris, Malvenartige
Mittel: Cäsium muriaticum, Dirca palustris

Homöopathie und Legasthenie

von Maarten van der Meer

Was ist Legasthenie?

„Legasthenie“ bedeutet Wortblindheit oder Leseblindheit; diese Störung hat mit der Unfähigkeit zu tun, Buchstaben zu erkennen, Wörter aus Buchstaben zu formen und Sätze in einer Ansammlung von Wörtern zu erkennen. Diese Problematik wurde in den letzten Jahrzehnten zunehmend erforscht. Für Legastheniker kann das Erkennen von Bildern, Symbolen und sogar von gesprochenen Worten ein großes Problem sein, obwohl bekannt ist, dass diese Schwierigkeiten nicht mit der Intelligenz und der Fähigkeit, Sinneseindrücke zu speichern, zusammenhängen. Legasthenikern fällt es u.U. schwer, Ideen in Worte umzusetzen; abstrakte Begriffe, Gefühle oder Assoziationen können sie nur schwer in Worte fassen. Daraus folgen Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben, was wiederum zu Lernschwierigkeiten und Frustrationen, und letztendlich zur Einschränkung sozialer Kontakte führen kann.

Lernprozesse sind mit Wachstumsprozessen im Gehirn verbunden. Die Nervenzellen mit ihren Axonen stehen über Synapsen miteinander in Kontakt, es besteht eine Art elektrisches Netzwerk, das der Erregungsleitung dient. So kann Gelerntes automatisiert werden. Möglicherweise ist Legasthenie die Folge einer Störung bzw. Dysfunktion dieser Prozesse.

 

Was kann die Homöopathie?

Es ist bekannt, dass eine homöopathische Behandlung sich positiv auf Konzentration, Aufmerksamkeit, Ruhe und Ausgeglichenheit auswirken kann. Oft beobachtet man bei Legasthenie nach einer homöopathischen Konstitutionsbehandlung eine deutliche Besserung, und in manchen Fällen verschwindet das Problem vollständig. Legasthenie passt zu den Themen der Lanthanide und der Malvengewächse.

Legastheniker fühlen sich oft „anders“, ausgegrenzt oder allein, da es ihnen schwer fällt, Ideen und Worten zu verstehen und auszudrücken. Oft haben Legastheniker eine spezielle Art des Denkens und der Wortwahl. Das Bedürfnis, die Dinge auf ihre besondere Art zu tun und ihren eigenen Weg zu gehen kann hier ein Hinweis auf die Lanthanide sein. Andererseits kann dieses „zu autonome“ Verhalten auch auf mangelnden Kontakt mit dem sozialen Umfeld aufgrund zu geringer neuronaler Vernetzung deuten.

Malvenmittel passen zu Menschen, die eine starke non-verbale Kommunikation entwickelt haben, weil sie die Welt „fühlen“ wollen, oder weil sie diese Fähigkeiten wegen ihrer Legasthenie brauchen. Sie reagieren emotional sehr empfindlich auf äußere Eindrücke, und deshalb verschließen sie sich. Malvenartige erleben ihre Umwelt über das Gefühl, sie strecken ihre Fühler aus. Darum brauchen sie Worte nicht so dringend. Hier geht es um das Thema „non-verbal“, und dieses kann den Umständen entsprechend entweder Ursache oder Folge sein. Die Kommunikation der Malvengewächse entspricht der Art, wie Legastheniker mit Worten umgehen: sie machen eine Bestandsaufnahme von Eindrücken, ohne diese zu interpretieren.

Die folgenden Fälle zeigen, wie die besondere Erfahrung der Legasthenie zu heilenden  Verordnungen geführt hat.
 

Kind beim Lernen


Fall 1:
Caesium muriaticum: „Ich sehe plötzlich Worte!“

- Hinweis für diesen Fall: Der Autor bezeichnet Caesium zwar als Lanthanid, was jedoch physikalisch nicht korrekt ist. Allerdings kann es durch die unmittelbare Nähe auch als Stadium 1-Mittel der Lanthaniden gesehen werden kann. -

Der Patient ist ein acht Jahre alter Junge mit Entwicklungsstörungen, Unruhe und Konzentrationsstörungen. Bereits im Kleinkindalter wurde bei ihm Legasthenie und Farbenblindheit diagnostiziert, und in der Schule galt er als ADHS-Kind. Er ist ein fröhliches und freundliches Kind, sensibel und aufmerksam: er nimmt alles auf und hört jedes Geräusch. Jeder ist sein Freund und er teilt alles. Seine Sprachentwicklung ist verzögert, und in der Schule hat er Konzentrationsschwierigkeiten und ist unruhig und ständig in Bewegung. So wird aus seinem Stift schnell ein „Rennauto“.
Seine Lern- und Sprachprobleme lassen sein Selbstvertrauen schwinden, und er sagt: „Ich bin der dümmste in der Klasse!“ Seine Mutter ist sehr einfühlsam mit ihm und kommuniziert mit ihm auf seiner Ebene, was er gerne mag. Er fühlt sich „eins“ mit seiner Mutter, warm und gemütlich. Sie ist allein erziehend - ihr Partner verließ sie nach Auseinandersetzungen wegen seines Drogenkonsums - und sie muss sich allein um die Finanzen und die Erziehung ihrer Kinder kümmern. Sie reagiert sehr direkt auf Gefühle und Eindrücke und scheint leicht beeinflussbar zu sein, sowohl von ihren eigenen Emotionen als auch von ihrer Umgebung. Sie nimmt bedenkenlos alles an, um sich und ihr Kind zu unterstützen.

Ihr Sohn ist wie ein verspielter Welpe. Oft übernimmt er die Beschwerden von Menschen, die ihm nahe stehen, z. B. entwickelt er die gleichen Beschwerden wie sein Freund. Seine Mutter wundert sich, dass er die familiären Probleme überhaupt nicht bemerkt: „Er macht immer das Beste aus allem.“ Im Sport ist er sehr impulsiv. Seine Mutter sagt: „Er ist kein Mitläufer!“

Die Schwangerschaft war geprägt vom täglichen Leben der Mutter. Die Geburt ging nicht voran, bis die Mutter Wunderöl (Rizinusöl) einnahm, daraufhin kam das Kind schnell. In den ersten drei Monaten konnte sich die Mutter nicht an ihn gewöhnen und wollte ihn nicht akzeptieren, weil er nicht wie ihre anderen Kinder aussah. Doch nach drei Monaten „verliebte“ sie sich plötzlich in ihn und ist es heute noch.
 

Analyse: Die Erfahrung lehrt uns, dass die wichtigsten Symptome diejenigen sind, die uns - unter Berücksichtigung der Beschwerden, der Ursache und des subjektiven Erlebens bzw. der objektiven Erfahrung  - am genauesten zum passenden Mittel führen. In dieser Familie ist die Mutter auf sich selbst gestellt, muss ihre eigenen Entscheidungen treffen, und ist sich der Schattenseiten (Drogen, Armut) bewusst. Mutter und Kind sind unabhängig und müssen für sich selbst sorgen. Sie sind hilfsbereit und sensibel für andere Menschen - all das passt zu den Lanthaniden. Mutter und Sohn sind spontan, offen, impulsiv und naiv.

Das Thema Unabhängigkeit und Autonomie (Lanthanide) hat für das Kind bereits im Mutterleib begonnen. In den ersten drei Monaten seines Lebens hatte es keinen intensiven Kontakt (Lanthanide) mit seiner Mutter oder der Kinderpflegerin (muriaticum). Geburt: die Mutter wollte ihn zunächst nicht loslassen (Stadium 17), doch nach der Einnahme von Wunderöl vollzog sich die Geburt blitzschnell (Stadium 1). Seine fröhliche, impulsive, spontane Art und sein „magisches Denken“ zusammen mit seiner Unabhängigkeit im Denken und seiner Wortwahl ließ mich Caesium in Betracht ziehen. Eine  eigenständige, spontane Mutter bestätigte die Verschreibung von Caesium muriaticum. Jan Scholten bezeichnet die Lanthanidenmittel als starke Helfer bei Legasthenie, vor allem die Lanthan-Salze.
 

Verordnung: Caesium muriaticum MK, Einmalgabe

Follow-up einen Monat nach der Mittelgabe: Bei der letzten Konsultation gab er sich liebenswürdig und wartete, bis man sich ihm zuwandte, drehte sich dann auf seinem Stuhl um und fragte: „Warum bin ich hierher gekommen?“
Diesmal sagt er auf Anhieb, dass es ihm besser geht, und dass er sich jetzt besser konzentrieren kann. Seine Mutter hatte schon eine Weile mit ihm Lesen geübt, aber am zweiten Tag nach der Mittelgabe rief er überrascht: „Ich kann plötzlich Wörter erkennen!“ Bis dahin waren es für ihn einzelne Buchstaben gewesen, die er nur mit Mühe entziffern konnte, und die ihn auch nicht interessierten.

Insgesamt ist der Umgang mit ihm einfach; er ist leicht zu motivieren und bringt zu Ende, was er einmal begonnen hatte. Er tut, was man ihm sagt, was zuvor nicht der Fall gewesen war. Jetzt möchte er gerne lesen. Im folgenden Jahr zeigen sich erhebliche Verbesserungen in der Schule und in seinem Allgemeinverhalten.

Buchstaben im Kopf


 

Fall 2:

Dirca palustris: „Wow, ich kann endlich hören, wie die Wörter geschrieben werden.“

Eine 40jährige Frau kommt wegen Rücken- und Gelenkschmerzen sowie Hyperventilation. Sie ist schlecht gelaunt und reagiert aggressiv, und um die Menstruation herum hat sie oft Schmerzen und sieht alles in einem negativen Licht. Es fehlt ihr an Vertrauen.

„In der Schule war ich infolge meiner Legasthenie völlig überfordert, auch was die sozialen Kontakte anging. Ich hatte das Gefühl, dass alle gegen mich waren. Das machte mich unsicher und unruhig. Manchmal konnte ich nicht die richtigen Worte finden. In der Schule wurde ich immer gehänselt, und zu Hause saß ich wütend in meinem Zimmer. Ich fiel in meinen Leistungen ab, weil ich nicht gut lesen konnte; ich wurde von einer Schule zur anderen geschickt und musste einen Test nach dem anderen machen. Oft dachte ich: „Was ist hier eigentlich los?“ Zu Hause wurde nie über mein Problem gesprochen, meine Eltern sagten mir nur immer, ich solle mein Bestes tun.
Es fällt mir schwer, die Initiative zu ergreifen oder mich auf eine Auseinandersetzung einzulassen. Ich reagiere empfindlich auf alles - auf Stimmungen, auf das, was andere Menschen denken. Wenn ich etwas anfange, stürze ich mich mit Begeisterung darauf und möchte gerne helfen, aber dann blockiere ich und muss alles aufschreiben. Niemand darf bemerken, dass ich es nicht schaffe (verbergen, Stadium 4; beginnen und dann zögern, Stadium 4). Ich arbeite in der Pflege, aber ich möchte den Arbeitsplatz wechseln. Ich habe große Selbstzweifel, mir viele Gedanken und brauche lang, bis ich eine Entscheidung treffe. Ich weiß, was ich will, aber ich traue mich nicht, meine eigene Meinung zu äußern. Ich schwitze unter den Armen, wenn ich mit jemandem spreche.“

Wovon träumen Sie?
„Von Menschen aus meiner Vergangenheit."

Sie macht einen verletzlichen, ängstlichen Eindruck, und zeigt ein entwaffnendes Lächeln. Sie scheint ihr Gegenüber mit dem ganzen Gesicht und nicht nur mit den Augen wahrzunehmen. Ihr Gesichtsausdruck wirkt oft überrascht. Auf die Frage, ob sie ein Gespür für die Dinge habe, sagt sie: „Ja, ich weiß immer was mit meinen Eltern los ist, z. B. gesundheitlich. Ich habe ein Gespür für die Atmosphäre an einem Ort. Wegen meiner Unsicherheit fühlen sich andere Menschen mir oft überlegen, und ich traue mich nicht, meine Meinung zu äußern. Aber von Natur aus bin ich eher direkt - früher habe ich immer alles gerade heraus gesagt, jetzt behalte ich die Dinge lieber für mich.“
   

Analyse: Malvengewächse: Behalten das, was sie sagen wollen, für sich. Angst vor dem, was sie sagt, unklares Reden. Starker non-verbaler Denkansatz. Weiche, einfühlsame Patientin.
Stadium 3-4-5: Unsicherheit, geringes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl.
Verschlossen, schafft sich eine eigene Welt, kann ihre Grenzen schlecht wahren: Stadium 4, Dirca palustris. Verletzlich, aufnahmefähig, sorgt für andere, wirkt überrascht, Selbstzweifel: Stadium 4, Dirca palustris. Andere Fälle von Dirca palustris bestätigen dessen Platz in
Stadium 4.

 

Verordnung: Dirca palustris MK, eine Dosis

 
Follow-up nach einem Monat: Sie schneidet Grimassen, um feine Zwischentöne  auszudrücken und zu erklären, was sie gerade erlebt. Innerlich weiß sie, was sie sagen will, aber sie sucht noch immer nach Worten, um der Außenwelt ihre Gefühle zu „übersetzen“. Zu Hause ist sie friedfertiger und nicht mehr so unfreundlich zu ihrem Mann und den Kindern. Sie hat trockene Haut an den Waden, die manchmal richtig hart wird und Krusten bildet. Ihre Menstruation verlief diesmal schmerzlos, obwohl sie wie früher überempfindliche Brüste und etwas Akne hatte. Sie sagt, dass sich ihre Gelenke besser anfühlen, und dass ihr das Lesen jetzt leichter fällt.
 

Follow-up vier Monate später: „Ich habe keine Angst mehr zu sprechen und fürchte nicht mehr, dass ich stottern werde. Wenn ich nicht die richtigen Worte finden kann, denke ich nur: „In Ordnung, wir verstehen uns trotzdem.“ Ich kann meine Gefühle besser ausdrücken und gehe mehr auf die Menschen zu. Ich nehme an einer Studie teil.
Die Legasthenie ist viel besser, und es fällt mir jetzt leichter zu schreiben. Jetzt kann ich aus dem Klang eines Wortes heraushören, wie es geschrieben wird, z. B. mit Doppelkonsonant oder nicht. Es ist erstaunlich - jetzt kann ich es wirklich hören! Das Lesen fällt mir leichter und geht schneller. Ich lese jetzt nicht mehr nur die Schlagzeilen - ich lese den ganzen Artikel. Heute kann ich einen Text verstehen, früher war es nur ein Durcheinander von Wörtern, in denen ich keinen Sinn erkennen konnte. Die Legasthenie hat mich viel Energie gekostet - ich musste immer 200%tig am Ball sein.“

Die folgenden drei Jahre verliefen sehr gut. Infolge von familiären Problemen kehrte ihre Legasthenie kurzfristig zurück; ihr konnte jedoch schnell mit Althea (aus der Familie der Malvenartigen, Stadium 2 ) geholfen werden.

Meine Diffenzierung der Stadien der Malvengewächse unterscheidet sich von der von Jan Scholten.

Dieser Artikel wurde auf www.interhomeopathy.org publiziert.

Foto: shutterstock.com

Kategorie: Fälle
Schlüsselwörter: Legasthenie, non-verbale Kommunikation, Isolation, Unsicherheit, Lernschwierigkeiten, Lanthanide, Caesium muriaticum, Dirca palustris, Malvenartige
Mittel: Cäsium muriaticum, Dirca palustris



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