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Farben in der Homöopathie

Die Farbvorliebe als homöopathisches Symptom

von Ulrich Welte und Markus Kuntosch

Direkter Link zur Farbe-Mittel-Liste und zur Mittel-Farbe-Liste

English version

Ähnlichkeit ist das Wesen der Homöopathie: Die Homöopathie wählt passende Arznei­mittel nach dem Prinzip der Ähnlichkeit aus. Ein Heil­mittel sollte dem Zustand, den man Krankheit nennt, möglichst ähnlich sein; es sollte ein „Arzneimittelbild“ haben, das nicht nur zu den objektiven Symptomen der Krankheit passt, sondern dem gesamten Krankheits­zustand möglichst ähnlich ist. Dazu gehören auch Verhaltens­änderungen und individuelle Befind­lichkeiten.

Drei Hauptelemente kennzeichnen das homöo­pathische Vorgehen: Anam­nese, Repertorisation und vergleichende Mittelwahl. Die homöopathische Anamnese ist eine erweiterte Form der allgemeinen ärztlichen Befunderhebung. In der Gesamtschau analysiert man danach alle wesentlichen Aspekte, die schließlich zur Wahl des ähnlichsten Mittels führen. Das kann durchaus schwierig sein, denn die Auswahl an Mitteln ist oft riesengroß, und nur einige wenige sind dem Krank­heitszustand so ähnlich, dass sie in homöopathischer Zubereitung auch wirksam sind. Man kann die wichtigsten Symptome des Krankheits­geschehens „repertorisieren“ und sich so das umständliche Nachschlagen in dicken Büchern erleichtern. Das Repertorium gibt uns Mittelvorschläge, die zu den Symptomen passen. Aus diesen Vorschlägen gilt es dann, das ähnlichste und passendste Mittel herauszufiltern.

Ein Beispiel: Nehmen wir eine Patientin, die über Schwindel klagt, der mit Übelkeit und Brechreiz verbunden ist; der Schwindel und der gesamte Zustand werden besser, wenn sie die Augen schließt. Diese Zeichen der Krankheit (= Symptome) repertorisiert man und vergleicht die vorgeschlagenen potentiellen Heilmittel, die zu diesen Symptomen passen. Das sieht dann so aus:

In unserer Repertorisation steht Conium an erster Stelle: Die beiden Symptome ‚Schwindel mit Übelkeit‘ (vertigo with nausea) und ‚Schwindel, besser beim Schließen der Augen‘ (vertigo closing eyes amel) zeigen uns, nach Wertigkeit aneinandergereiht, die Mittel, die sich aus dieser Eingabe ergeben (Con, Ferr, Acon...). Con ist das Kürzel für Conium, den Schierling, Ferr ist Ferrum, das Eisen, Petr ist das Kürzel für Petroleum, Tab ist der Tabak etc. Wer seine Mittel gut kennt und die Arzneimittelbilder verinnerlicht hat, der sieht bei jedem Mittelvorschlag dieser Erstauswahl sofort weitere Bezugspunkte zu unserer Patientin. Vielleicht war sie schon seit Jugend anämisch wegen Eisenmangel und brauchte immer wieder Eisenpräparate. Dann werden wir das Ferrum an zweiter Stelle als Mittel für ihren Schwindel näher in Betracht ziehen. Oder es handelt sich um eine verhärtete alte Frau ohne Mann, die schon etwas sklerotisch ist oder Zeichen von Demenz zeigt: Conium wäre dann erste Wahl. Oder es ist eine Patientin mit litera­rischen Interessen und Schlaf­losigkeit, die ihren kranken Mann seit Jahren pflegt: Cocculus auf Platz sieben wäre dann wahr­schein­lich das Mittel, obwohl es das zweite Symptom ‚Schwindel, besser beim Schließen der Augen‘, nicht abdeckt.

Die Heilmittel der Homöopathie sprechen die gleiche Sprache wie die Krankheiten: so kann man Mittelbild und Krankheitsbild direkt vergleichen. Das ist eines der entscheidenden Merkmale in der Homöopathie, und diese einfache Gleichung macht das homöopathische Vorgehen so praxisnah. Die Arzneimittelkenntnis entspringt primär nicht irgendwelchen patho­physio­logischen Vorstellungen wie bei ‚Hochdruckmitteln‘ oder ‚Antibiotika‘ und wendet sich auch nicht primär an die Senkung von Fett- oder Blutzuckerwerten. Vielmehr besteht sie aus Arzneimittelbildern. Gesunde Probanden, meist selbst homöopathische Ärzte, haben an sich selbst und an anderen getestet, wie die Mittel am lebenden und fühlenden Menschen wirken. Diese „Prüfungen“ sind in umfangreichen Werken niedergelegt worden. Das waren ursprünglich nur Sammlungen von Symp­tomen, die aus den Arzneimittel­prüfungen stammen. Dieses Dickicht der Symptome war schwer erlernbar, doch die Arzneimittelbilder haben im Lauf der letzten 200 Jahre eine erfreuliche Evolution durch­laufen. Sie sind verständlicher und damit auch leichter lernbar geworden. Vor allem sind die ursprünglichen Prüfungssymptome aber zugänglicher geworden, seit es die Computer­programme zur Repertorisation gibt, denen es ein Leichtes ist, aus riesigen Datenmengen von tausenden von Mitteln in hunderten von dicken Büchern auf einen Mausklick das Gewünschte zu liefern.

Die Farbvorliebe ist ein charakteristisches Symptom. Wie wir sehen, tragen nicht nur Symptome wie ‚Schwindel, besser durch Schließen der Augen‘ zur Mittelwahl bei, sondern auch die allgemeinen Charakteristika des Patienten und seine individuelle Befindlichkeit; ja sie können sogar wichtiger sein als einzelne Krankheitssymptome. Die Farbvorliebe ist ein solches allgemeines Charakteristikum. Sie gibt die Grundstimmung des Patienten wieder, seine ‚Eigenfrequenz‘, und diese Frequenz schwingt besonders dann mit, wenn wir ein Mittel geben, das ihr entspricht. Die homöo­pathischen Mittel wirken vor allem bei chronischen Krankheiten nur dann heilend, wenn sie in Ähnlichkeit mit der Grund­schwingung eine Resonanz erzeugen können. Deshalb braucht man auch nur so geringe Dosen, um eine Wirkung zu erzeugen. Doch auch bei akuten Krankheiten ist es nützlich, aus der kleinen Auswahl ähnlicher Mittel dasjenige zu nehmen, das eine ähnliche Farbvorliebe gezeigt hat. Dazu mehr in den folgenden Abschnitten.

Die Farbvorliebe ist gut vergleichbar mit den Modalitäten, die früher Clemens von Bönninghausen so deutlich herausgearbeitet hat und die heute bei der Polari­tätsanalyse nach Heiner Frei eine zentrale Rolle spielen. Auch sie sind nicht die lokalen, äußerlichen Anzeichen der Krankheit wie „Schwindel“ oder „Übelkeit“, sondern die Bewegungen des lebendigen Organismus, die das Problem auszugleichen suchen durch bestimmte Maßnahmen wie Schließen der Augen oder Temperatureinflüsse wie Wärme oder Kälte, oder mechanische Einflüsse wie Druck oder Strecken etc.   

Die Farbe Schwarz ist die Farbe von Conium: Wenn eine bestimmte Farbvorliebe deutlich zum Vorschein kommt und wiederholt über einen längeren Zeitraum gleich angegeben wird, kann sie als allgemeines Charakteristikum des Patienten verwendet werden. Nehmen wir an, jemand bevorzuge eindeutig Schwarz. Dann wird die Wahl eines ähnlichen Mittels meist in der Rubrik Schwarz zu finden sein:  Farbe-Mittel-Liste.

 

Wir sehen, dass sich in dieser Rubrik z.B. die meisten Pflanzen der Schierlingsfamilie (Doldenblütler, Apiaceae) finden, aber auch Mittel wie Graphit, Silber oder Titan. Conium, der Schierling, ist eine besonders giftige Variante der Apiaceae, mit der Sokrates zu Tode kam. Die Schilderung seines Sterbens durch den Schierlingsbecher wurde von seinem Schüler Plato schriftlich niedergelegt und gibt uns ein relativ genaues Arzneimittelbild von Conium, das die aufsteigende Lähmung bei vollem Bewusstsein bis zum Moment des Todes zeigt.

Conium als Geburtsstunde des Farbsymptoms: Sokrates starb also nicht nur am Gift des Schierlings, sondern war indirekt auch an der Entstehung des homöopathischen Farb­symptoms beteiligt. Er sah sich selbst gern als Geburtshelfer neuer Ideen, was sogar noch 2500 Jahre später nachwirkte, denn ein Conium-Patient brachte den Kölner Internisten und ehemaligen Lungenfacharzt Dr. Hugbald Volker Müller (1921 – 2000) Mitte der 80er Jahre auf den Gedanken der Farbvorliebe als homöopathisches Symptom. Der Patient sagte, dass er sich immer besonders wohl fühle und dass auch seine Beschwerden besser werden, wenn er nachts in der Dunkelheit spazieren geht. Er sagte auch, dass er Schwarz als Farbe besonders gern möge. Müller überprüfte dann andere Patienten, die er mit Conium geheilt hatte, ob sie ebenfalls eine Vorliebe für die Farbe Schwarz hatten, und er fand, dass dies bei mehreren anderen Patienten zutraf, vor allem bei denen, die auf dieses Mittel besonders gut und tief angesprochen hatten. Damit war auch die Idee geboren, dass andere Mittel ebenfalls eine gemeinsame Farbvorliebe haben könnten, was sich bestätigte.

 

H.V. Müller im Alter von 80 Jahren

 

Die praktische Entwicklung des Farbsymptoms: Um mit dieser Idee wissenschaftlich arbeiten zu können, brauchte er jedoch eine validierte Standardisierung der Farben, also z.B. nach dem System von Pantone oder RAL oder ähnlichem, wie sie z.B. die Drucker verwenden. Müller wählte als Messwerkzeug das „Taschenlexikon der Farben“ von Kornerup und Wanscher, weil es sehr umfassend war und auch die Graustufen berück­sichtigte, die sich jedoch bei längerer Verwendung eher als hinderlich erwiesen. Das Taschenlexikon erschien 1981 in seiner letzten Auflage und ist schon lange nur noch antiquarisch verfügbar. Mit diesem System begann er, bei jedem Patienten die Farbvorliebe zu definieren. Manche Patienten, die mit derselben Arznei geheilt wurden, suchten sich sogar nicht nur ungefähr die gleiche Farbe aus, sondern wählten ein und dasselbe Farbfeld aus 1266 Farbnuancen. Dennoch sah Müller bald, dass die Genauigkeit bei ein und demselben Mittel in bestimmten definierten Farbfeldern durchaus streuten. Darauf erweiterte er den Bereich des Mittels auf mehrere Farbfelder. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits engen Kontakt mit ihm und tauschten unsere Erfahrungen aus.

Damals begann ich, ein eigenes Farbsystem zu entwickeln, das diesen Beobachtungen Rechnung trägt und speziell auf die homöopathische Verwendung zugeschnitten sein sollte. Als ich es Müller 1993 erstmals vorstellte, war er sofort begeistert und meinte, dies sei genau der richtige Ansatz und ich solle ihn unbedingt weiterverfolgen und zum Druck bringen. Die besten homöopathischen Verlage damals bestanden jedoch auf einem Druck im 4 Farben Offsetverfahren, weil das billiger ist als in Reinfarben zu drucken. Doch es hätte bei vielen Farben zu einer Verfälschung der Farbechtheit geführt, wie ich bald unter Verwendung des Pantonefächers feststellte. So verzögerte sich die Veröffentlichung. Leider verstarb Müller im Jahr 2000 und erlebte den Druck im Eigenverlag nicht mehr. Denn im Jahr 2003 entschlossen wir uns wegen der Schwierigkeiten, vor allem nachdem auch der Haug Verlag das Buch in der gewünschten Druckqualität ablehnte, es im Eigenverlag herauszubringen. Nur so gelang es uns, die hohen Qualitätsvorstellungen in Bezug auf die Farbe umzusetzen.

So führte also das abgelehnte Farbenbuch letztlich zur Gründung des Narayana Verlags in seiner heutigen Form, und es sollte sich zeigen, dass er sich im Lauf der nächsten 10 Jahre gegen alle Widerstände zum führenden homöopathischen Verlag Deutschlands mauserte.

 

Der neue Farbstandard 'Farben in der Homöopathie' erschien 2003

In diesem Jahr erschien zum ersten Mal der Farbatlas Farben in der Homöopathie. Inzwischen ist das Werk in fünf Sprachen erhältlich und befindet sich zurzeit in der wesentlich erweiterten siebten Auflage. Die Farbvorlieben sind im Lauf der Jahre zu einem wertvollen zusätzlichen Symptom der homöo­pathischen Materia Medica geworden. Das Farb­repertorium wird weltweit mit Erfolg eingesetzt und unabhängig von verschiedenen Schulen und Richtungen als zusätzliche Information zur Mittelwahl herangezogen.

Durch die internationale Zusammenarbeit kompetenter Homöopathen ist die Zahl der farbdefinierten Mittel deutlich gewachsen. H.V. Müller hinterließ uns im Jahr 2000 einen Grundstock von 460 Mitteln, der inzwischen auf ca. 1200 angewachsen ist, zweimal so viele wie zur Zeit der ersten Auflage des Farbenbuchs. Sehr erfreulich ist die hohe Zahl unabhängiger Bestätigungen der Farbdefinition. Viele Homöopathen berichten, dass sie durch das Farbsymptom zur erfolgreichen Verordnung „kleiner“ Mittel angeregt wurden, an die sie sonst nicht gedacht hätten. Durch diese Beiträge konnten auch einige Änderungen oder Ergänzungen bisheriger Farbzuordnungen vorgenommen werden.

Eine stetig wachsende Liste der Farbbeziehungen wird hier frei zur Verfügung gestellt. Sie wird häufig aktualisiert und kann von jedem Nutzer ausgedruckt werden, so dass man das Farbrepertorium immer auf neuestem Stand halten kann: Link zur Farbe-Mittel-Liste und zur Mittel-Farbe-Liste

 

Kommentar von unserer Webseite von Jörg J. Müller

Eine seltene Koinzidenz ist, dass uns wenige Tage vor der Ausgabe der Homeonews diese Rezension zum Farbenbuch erreichte:

Gemütssymptom "Lieblingsfarbe" beachten!
Da in der Homöopathie nicht Krankheiten behandelt werden, sondern Patienten, die spezifische Symptome entwickelt haben, die einem homöopathischen Arzneimittelbild ähnlich sind, wird es nicht DAS Heilmittel gegen eine COVID-19 Erkrankung geben. Wie immer muss auch bei dieser Krankheit individualisiert werden. An erster Stelle sollte dabei die Farbvorliebe ("Lieblingsfarbe"  des Patienten als höchstwertiges Gemütssymptom stehen. Mit ihr können differenzialdiagnostisch von vornherein Arzneimittel ausgeschlossen werden. Diese von Prof. Dr. Hugbald Volker Müller (1921 - 2000, Arzt für Homöopathie in Köln) in die Homöopathie eingeführte Methode hat sich seit über 45 Jahren in hunderten Fällen bewährt. So wird das hysterisch ausverkaufte Camphora vor allem Menschen helfen, die als Lieblingsfarbe ein Purpurrot (13-14 AB 8 nach H.V. Müller bzw. 11C nach U. Welte) oder ein Orange (6C nach U. Welte) wählen. Grindelia-Patienten wählen Schwarz, Chininum muriaticums wählen Rosa (9A) oder Rot (9C). Weitere im Zusammenhang mit dieser Pandemie bis heute genannte Mittel sind: Bryonia (ein Olivgrün: 1-3DE), Kalium carbonicum (ein Knallblau: 15-16C), Lycopodium (ein Schwarzblau: 15-16E), Mercurius sol. (ein dunkles Blaugrün: 19DE) und Phosphorus (ein Knallgrün: 20-22C). Homöopathen, die noch nicht mit der Farbvorliebe arbeiten, aber bereits Heilungserfolge bei COVID-19 Patienten erzielen konnten, sollten zur Verifizierung einmal im Nachhinein ihre Patienten nach ihrer Lieblingsfarbe befragen! Ich denke, sie würden staunen und es würde enorm weiterhelfen, diese Erfahrungen weiterzugeben. (Farbtafeln von Ulrich Welte: Farben in der Homöopathie. Narayana Verlag)

Farben in der Homöopathie

Die Farbvorliebe als homöopathisches Symptom

von Ulrich Welte und Markus Kuntosch

Direkter Link zur Farbe-Mittel-Liste und zur Mittel-Farbe-Liste

English version

Ähnlichkeit ist das Wesen der Homöopathie: Die Homöopathie wählt passende Arznei­mittel nach dem Prinzip der Ähnlichkeit aus. Ein Heil­mittel sollte dem Zustand, den man Krankheit nennt, möglichst ähnlich sein; es sollte ein „Arzneimittelbild“ haben, das nicht nur zu den objektiven Symptomen der Krankheit passt, sondern dem gesamten Krankheits­zustand möglichst ähnlich ist. Dazu gehören auch Verhaltens­änderungen und individuelle Befind­lichkeiten.

Drei Hauptelemente kennzeichnen das homöo­pathische Vorgehen: Anam­nese, Repertorisation und vergleichende Mittelwahl. Die homöopathische Anamnese ist eine erweiterte Form der allgemeinen ärztlichen Befunderhebung. In der Gesamtschau analysiert man danach alle wesentlichen Aspekte, die schließlich zur Wahl des ähnlichsten Mittels führen. Das kann durchaus schwierig sein, denn die Auswahl an Mitteln ist oft riesengroß, und nur einige wenige sind dem Krank­heitszustand so ähnlich, dass sie in homöopathischer Zubereitung auch wirksam sind. Man kann die wichtigsten Symptome des Krankheits­geschehens „repertorisieren“ und sich so das umständliche Nachschlagen in dicken Büchern erleichtern. Das Repertorium gibt uns Mittelvorschläge, die zu den Symptomen passen. Aus diesen Vorschlägen gilt es dann, das ähnlichste und passendste Mittel herauszufiltern.

Ein Beispiel: Nehmen wir eine Patientin, die über Schwindel klagt, der mit Übelkeit und Brechreiz verbunden ist; der Schwindel und der gesamte Zustand werden besser, wenn sie die Augen schließt. Diese Zeichen der Krankheit (= Symptome) repertorisiert man und vergleicht die vorgeschlagenen potentiellen Heilmittel, die zu diesen Symptomen passen. Das sieht dann so aus:

In unserer Repertorisation steht Conium an erster Stelle: Die beiden Symptome ‚Schwindel mit Übelkeit‘ (vertigo with nausea) und ‚Schwindel, besser beim Schließen der Augen‘ (vertigo closing eyes amel) zeigen uns, nach Wertigkeit aneinandergereiht, die Mittel, die sich aus dieser Eingabe ergeben (Con, Ferr, Acon...). Con ist das Kürzel für Conium, den Schierling, Ferr ist Ferrum, das Eisen, Petr ist das Kürzel für Petroleum, Tab ist der Tabak etc. Wer seine Mittel gut kennt und die Arzneimittelbilder verinnerlicht hat, der sieht bei jedem Mittelvorschlag dieser Erstauswahl sofort weitere Bezugspunkte zu unserer Patientin. Vielleicht war sie schon seit Jugend anämisch wegen Eisenmangel und brauchte immer wieder Eisenpräparate. Dann werden wir das Ferrum an zweiter Stelle als Mittel für ihren Schwindel näher in Betracht ziehen. Oder es handelt sich um eine verhärtete alte Frau ohne Mann, die schon etwas sklerotisch ist oder Zeichen von Demenz zeigt: Conium wäre dann erste Wahl. Oder es ist eine Patientin mit litera­rischen Interessen und Schlaf­losigkeit, die ihren kranken Mann seit Jahren pflegt: Cocculus auf Platz sieben wäre dann wahr­schein­lich das Mittel, obwohl es das zweite Symptom ‚Schwindel, besser beim Schließen der Augen‘, nicht abdeckt.

Die Heilmittel der Homöopathie sprechen die gleiche Sprache wie die Krankheiten: so kann man Mittelbild und Krankheitsbild direkt vergleichen. Das ist eines der entscheidenden Merkmale in der Homöopathie, und diese einfache Gleichung macht das homöopathische Vorgehen so praxisnah. Die Arzneimittelkenntnis entspringt primär nicht irgendwelchen patho­physio­logischen Vorstellungen wie bei ‚Hochdruckmitteln‘ oder ‚Antibiotika‘ und wendet sich auch nicht primär an die Senkung von Fett- oder Blutzuckerwerten. Vielmehr besteht sie aus Arzneimittelbildern. Gesunde Probanden, meist selbst homöopathische Ärzte, haben an sich selbst und an anderen getestet, wie die Mittel am lebenden und fühlenden Menschen wirken. Diese „Prüfungen“ sind in umfangreichen Werken niedergelegt worden. Das waren ursprünglich nur Sammlungen von Symp­tomen, die aus den Arzneimittel­prüfungen stammen. Dieses Dickicht der Symptome war schwer erlernbar, doch die Arzneimittelbilder haben im Lauf der letzten 200 Jahre eine erfreuliche Evolution durch­laufen. Sie sind verständlicher und damit auch leichter lernbar geworden. Vor allem sind die ursprünglichen Prüfungssymptome aber zugänglicher geworden, seit es die Computer­programme zur Repertorisation gibt, denen es ein Leichtes ist, aus riesigen Datenmengen von tausenden von Mitteln in hunderten von dicken Büchern auf einen Mausklick das Gewünschte zu liefern.

Die Farbvorliebe ist ein charakteristisches Symptom. Wie wir sehen, tragen nicht nur Symptome wie ‚Schwindel, besser durch Schließen der Augen‘ zur Mittelwahl bei, sondern auch die allgemeinen Charakteristika des Patienten und seine individuelle Befindlichkeit; ja sie können sogar wichtiger sein als einzelne Krankheitssymptome. Die Farbvorliebe ist ein solches allgemeines Charakteristikum. Sie gibt die Grundstimmung des Patienten wieder, seine ‚Eigenfrequenz‘, und diese Frequenz schwingt besonders dann mit, wenn wir ein Mittel geben, das ihr entspricht. Die homöo­pathischen Mittel wirken vor allem bei chronischen Krankheiten nur dann heilend, wenn sie in Ähnlichkeit mit der Grund­schwingung eine Resonanz erzeugen können. Deshalb braucht man auch nur so geringe Dosen, um eine Wirkung zu erzeugen. Doch auch bei akuten Krankheiten ist es nützlich, aus der kleinen Auswahl ähnlicher Mittel dasjenige zu nehmen, das eine ähnliche Farbvorliebe gezeigt hat. Dazu mehr in den folgenden Abschnitten.

Die Farbvorliebe ist gut vergleichbar mit den Modalitäten, die früher Clemens von Bönninghausen so deutlich herausgearbeitet hat und die heute bei der Polari­tätsanalyse nach Heiner Frei eine zentrale Rolle spielen. Auch sie sind nicht die lokalen, äußerlichen Anzeichen der Krankheit wie „Schwindel“ oder „Übelkeit“, sondern die Bewegungen des lebendigen Organismus, die das Problem auszugleichen suchen durch bestimmte Maßnahmen wie Schließen der Augen oder Temperatureinflüsse wie Wärme oder Kälte, oder mechanische Einflüsse wie Druck oder Strecken etc.   

Die Farbe Schwarz ist die Farbe von Conium: Wenn eine bestimmte Farbvorliebe deutlich zum Vorschein kommt und wiederholt über einen längeren Zeitraum gleich angegeben wird, kann sie als allgemeines Charakteristikum des Patienten verwendet werden. Nehmen wir an, jemand bevorzuge eindeutig Schwarz. Dann wird die Wahl eines ähnlichen Mittels meist in der Rubrik Schwarz zu finden sein:  Farbe-Mittel-Liste.

 

Wir sehen, dass sich in dieser Rubrik z.B. die meisten Pflanzen der Schierlingsfamilie (Doldenblütler, Apiaceae) finden, aber auch Mittel wie Graphit, Silber oder Titan. Conium, der Schierling, ist eine besonders giftige Variante der Apiaceae, mit der Sokrates zu Tode kam. Die Schilderung seines Sterbens durch den Schierlingsbecher wurde von seinem Schüler Plato schriftlich niedergelegt und gibt uns ein relativ genaues Arzneimittelbild von Conium, das die aufsteigende Lähmung bei vollem Bewusstsein bis zum Moment des Todes zeigt.

Conium als Geburtsstunde des Farbsymptoms: Sokrates starb also nicht nur am Gift des Schierlings, sondern war indirekt auch an der Entstehung des homöopathischen Farb­symptoms beteiligt. Er sah sich selbst gern als Geburtshelfer neuer Ideen, was sogar noch 2500 Jahre später nachwirkte, denn ein Conium-Patient brachte den Kölner Internisten und ehemaligen Lungenfacharzt Dr. Hugbald Volker Müller (1921 – 2000) Mitte der 80er Jahre auf den Gedanken der Farbvorliebe als homöopathisches Symptom. Der Patient sagte, dass er sich immer besonders wohl fühle und dass auch seine Beschwerden besser werden, wenn er nachts in der Dunkelheit spazieren geht. Er sagte auch, dass er Schwarz als Farbe besonders gern möge. Müller überprüfte dann andere Patienten, die er mit Conium geheilt hatte, ob sie ebenfalls eine Vorliebe für die Farbe Schwarz hatten, und er fand, dass dies bei mehreren anderen Patienten zutraf, vor allem bei denen, die auf dieses Mittel besonders gut und tief angesprochen hatten. Damit war auch die Idee geboren, dass andere Mittel ebenfalls eine gemeinsame Farbvorliebe haben könnten, was sich bestätigte.

 

H.V. Müller im Alter von 80 Jahren

 

Die praktische Entwicklung des Farbsymptoms: Um mit dieser Idee wissenschaftlich arbeiten zu können, brauchte er jedoch eine validierte Standardisierung der Farben, also z.B. nach dem System von Pantone oder RAL oder ähnlichem, wie sie z.B. die Drucker verwenden. Müller wählte als Messwerkzeug das „Taschenlexikon der Farben“ von Kornerup und Wanscher, weil es sehr umfassend war und auch die Graustufen berück­sichtigte, die sich jedoch bei längerer Verwendung eher als hinderlich erwiesen. Das Taschenlexikon erschien 1981 in seiner letzten Auflage und ist schon lange nur noch antiquarisch verfügbar. Mit diesem System begann er, bei jedem Patienten die Farbvorliebe zu definieren. Manche Patienten, die mit derselben Arznei geheilt wurden, suchten sich sogar nicht nur ungefähr die gleiche Farbe aus, sondern wählten ein und dasselbe Farbfeld aus 1266 Farbnuancen. Dennoch sah Müller bald, dass die Genauigkeit bei ein und demselben Mittel in bestimmten definierten Farbfeldern durchaus streuten. Darauf erweiterte er den Bereich des Mittels auf mehrere Farbfelder. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits engen Kontakt mit ihm und tauschten unsere Erfahrungen aus.

Damals begann ich, ein eigenes Farbsystem zu entwickeln, das diesen Beobachtungen Rechnung trägt und speziell auf die homöopathische Verwendung zugeschnitten sein sollte. Als ich es Müller 1993 erstmals vorstellte, war er sofort begeistert und meinte, dies sei genau der richtige Ansatz und ich solle ihn unbedingt weiterverfolgen und zum Druck bringen. Die besten homöopathischen Verlage damals bestanden jedoch auf einem Druck im 4 Farben Offsetverfahren, weil das billiger ist als in Reinfarben zu drucken. Doch es hätte bei vielen Farben zu einer Verfälschung der Farbechtheit geführt, wie ich bald unter Verwendung des Pantonefächers feststellte. So verzögerte sich die Veröffentlichung. Leider verstarb Müller im Jahr 2000 und erlebte den Druck im Eigenverlag nicht mehr. Denn im Jahr 2003 entschlossen wir uns wegen der Schwierigkeiten, vor allem nachdem auch der Haug Verlag das Buch in der gewünschten Druckqualität ablehnte, es im Eigenverlag herauszubringen. Nur so gelang es uns, die hohen Qualitätsvorstellungen in Bezug auf die Farbe umzusetzen.

So führte also das abgelehnte Farbenbuch letztlich zur Gründung des Narayana Verlags in seiner heutigen Form, und es sollte sich zeigen, dass er sich im Lauf der nächsten 10 Jahre gegen alle Widerstände zum führenden homöopathischen Verlag Deutschlands mauserte.

 

Der neue Farbstandard 'Farben in der Homöopathie' erschien 2003

In diesem Jahr erschien zum ersten Mal der Farbatlas Farben in der Homöopathie. Inzwischen ist das Werk in fünf Sprachen erhältlich und befindet sich zurzeit in der wesentlich erweiterten siebten Auflage. Die Farbvorlieben sind im Lauf der Jahre zu einem wertvollen zusätzlichen Symptom der homöo­pathischen Materia Medica geworden. Das Farb­repertorium wird weltweit mit Erfolg eingesetzt und unabhängig von verschiedenen Schulen und Richtungen als zusätzliche Information zur Mittelwahl herangezogen.

Durch die internationale Zusammenarbeit kompetenter Homöopathen ist die Zahl der farbdefinierten Mittel deutlich gewachsen. H.V. Müller hinterließ uns im Jahr 2000 einen Grundstock von 460 Mitteln, der inzwischen auf ca. 1200 angewachsen ist, zweimal so viele wie zur Zeit der ersten Auflage des Farbenbuchs. Sehr erfreulich ist die hohe Zahl unabhängiger Bestätigungen der Farbdefinition. Viele Homöopathen berichten, dass sie durch das Farbsymptom zur erfolgreichen Verordnung „kleiner“ Mittel angeregt wurden, an die sie sonst nicht gedacht hätten. Durch diese Beiträge konnten auch einige Änderungen oder Ergänzungen bisheriger Farbzuordnungen vorgenommen werden.

Eine stetig wachsende Liste der Farbbeziehungen wird hier frei zur Verfügung gestellt. Sie wird häufig aktualisiert und kann von jedem Nutzer ausgedruckt werden, so dass man das Farbrepertorium immer auf neuestem Stand halten kann: Link zur Farbe-Mittel-Liste und zur Mittel-Farbe-Liste

 

Kommentar von unserer Webseite von Jörg J. Müller

Eine seltene Koinzidenz ist, dass uns wenige Tage vor der Ausgabe der Homeonews diese Rezension zum Farbenbuch erreichte:

Gemütssymptom "Lieblingsfarbe" beachten!
Da in der Homöopathie nicht Krankheiten behandelt werden, sondern Patienten, die spezifische Symptome entwickelt haben, die einem homöopathischen Arzneimittelbild ähnlich sind, wird es nicht DAS Heilmittel gegen eine COVID-19 Erkrankung geben. Wie immer muss auch bei dieser Krankheit individualisiert werden. An erster Stelle sollte dabei die Farbvorliebe ("Lieblingsfarbe"  des Patienten als höchstwertiges Gemütssymptom stehen. Mit ihr können differenzialdiagnostisch von vornherein Arzneimittel ausgeschlossen werden. Diese von Prof. Dr. Hugbald Volker Müller (1921 - 2000, Arzt für Homöopathie in Köln) in die Homöopathie eingeführte Methode hat sich seit über 45 Jahren in hunderten Fällen bewährt. So wird das hysterisch ausverkaufte Camphora vor allem Menschen helfen, die als Lieblingsfarbe ein Purpurrot (13-14 AB 8 nach H.V. Müller bzw. 11C nach U. Welte) oder ein Orange (6C nach U. Welte) wählen. Grindelia-Patienten wählen Schwarz, Chininum muriaticums wählen Rosa (9A) oder Rot (9C). Weitere im Zusammenhang mit dieser Pandemie bis heute genannte Mittel sind: Bryonia (ein Olivgrün: 1-3DE), Kalium carbonicum (ein Knallblau: 15-16C), Lycopodium (ein Schwarzblau: 15-16E), Mercurius sol. (ein dunkles Blaugrün: 19DE) und Phosphorus (ein Knallgrün: 20-22C). Homöopathen, die noch nicht mit der Farbvorliebe arbeiten, aber bereits Heilungserfolge bei COVID-19 Patienten erzielen konnten, sollten zur Verifizierung einmal im Nachhinein ihre Patienten nach ihrer Lieblingsfarbe befragen! Ich denke, sie würden staunen und es würde enorm weiterhelfen, diese Erfahrungen weiterzugeben. (Farbtafeln von Ulrich Welte: Farben in der Homöopathie. Narayana Verlag)



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