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A.S. aus Deutschland
Super Angebot, hat mich überzeugtDie Aufregung liegt mir im Blut: ein Fall von Adrenalin
Von Ghanshyam Kalathia
Der 32-jährige Patient kommt wegen einer Migräne.
Ghanshyam Kalathia (GK): Bitte erzählen Sie von sich und Ihren Beschwerden.
P: Seit 5 Jahren leide ich unter Migräne. Die Schmerzen sind sehr, sehr heftig. Ich kann mich auf nichts konzentrieren. Wenn ich etwas lese oder einen Jahresbericht oder eine Zwischenbilanz anfertigen muss, dann bekomme ich diese Kopfschmerzen. Immer, wenn ich mich auf eine Sache konzentrieren muss, habe ich einen Anfall. Wenn die Schmerzen einmal da sind, dann werde ich sie nicht mehr los. In den letzten zwei, drei Monaten ist mir aufgefallen, dass die Kopfschmerzen besser werden, wenn ich während eines Anfalls viel und gut esse. Dann geht es mir besser.
GK: Was empfinden Sie während der Schmerzen im Kopf?
P: Es fühlt sich an, als würde mein Kopf immer größer werden (Geste). Ich habe das Gefühl, dass mein Kopf mit den Schmerzen anschwillt – es kommt mir nicht nur so vor, sondern ich kann manchmal sehen, dass mein Kopf größer als sonst ist, wenn ich in den Spiegel schaue. Meistens fangen die Schmerzen hier an (im Bereich des ersten Halswirbels) und ziehen von da nach oben. Manchmal erstreckt es sich über den ganzen Kopf und manchmal sind es heftige, schießende Schmerzen, wie Elektroschocks, die von der Schädelbasis bis zur Stirn gehen.
GK: Was machen diese Schmerzen mit Ihnen?
P: Seit ich diese Kopfschmerzen habe, habe ich mein Interesse verloren. Mein Leben hat seinen Reiz verloren. Ich würde am liebsten gar nichts mehr tun. Nichts ist mehr wichtig. Alles besteht nur noch aus Routine, ist immer gleich, nichts Besonderes mehr. Ich vermisse meine wilde Studentenzeit.
GK: Erzählen Sie bitte von Ihrer wilden Studienzeit…
P: Sie hatte einen gewissen Reiz. Alles war interessant und aufregend, manchmal habe ich sogar das Essen und Trinken vergessen. Ich hasse meinen jetzigen Job, er ist sehr, sehr langweilig, immer das Gleiche, es gibt keine Abwechslung. Es ist alles Routine und belanglos, es passiert nichts Interessantes. Keine Aufregung, kein Buzz. Alles ist einfach langweilig und saugt die Schönheit und den Reiz des Lebens auf. Ich habe das Gefühl, mein Leben und meine Jugend mit dieser langweiligen Arbeit zu verschwenden. Mein Alter hat sich gefühlt verdoppelt seit ich diesen Job habe. Das Leben hat definitiv seinen Reiz verloren.
GK: Was macht den Reiz des Lebens aus?
P: Der Reiz liegt darin, dass man sich jünger fühlt als man eigentlich ist. Man genießt jeden Moment. Man schöpft aus dem Vollen; man lebt ein schönes Leben. Das geht nur, wenn jeder Moment des Lebens aufregend ist. Wenn alles aufregend ist, dann gibt es keinen Platz für Langeweile, Trübsinn und Routine in deinem Leben.
GK: Was ist der Unterschied zwischen einem langweiligen und einem aufregenden Leben?
P: In einem langweiligen Leben gibt es keinen Reiz. In einem aufregenden Leben fühlt man sich jünger und aktiver. Ständig denkt man „Lass uns dies und jenes tun“. Alles ist einfach nur interessant. Du versuchst, jeden Moment deines Lebens zu genießen.
Er wirkt jetzt animiert, spricht schneller und sein ganzer Körper kommt in Bewegung.
GK: Lassen wir Ihr Leben einmal beiseite. Wir unterhalten uns jetzt ganz allgemein. Antworten Sie mir bitte ganz spontan mit dem, was Ihnen in den Sinn kommt. Was bedeutet Aufregung?
P: Aufregung heißt, dass man mit Freude und Glück erfüllt ist. Alles an dir ist aufgeregt und du fühlst diese Wärme in deinem Körper. Du fühlst Deinen Körper in Bewegung, als würde alles hineinströmen, hineinrauschen. Mein Kopf wird ganz heiß, wenn ich aufgeregt bin; ich fühle die Hitze hier (linke Kopfhälfte).
Ich kann die Aufregung förmlich sehen, während er erzählt.
GK: Erzählen Sie bitte mehr über die Aufregung…
P: Jetzt gerade bin ich sehr aufgeregt. Ich kann die Wärme in meinem ganzen Körper spüren und habe das Gefühl, als würde etwas in mir nach oben rauschen, wie Wellen. Jetzt muss ich nicht mehr an mein langweiliges, graues Leben denken. Ich fühle mich innerlich gestärkt. Es fühlt sich an, als wäre jede einzelne Zelle in meinem Körper aktiv und erfrischt. In diesem Moment stagniert nichts in mir. Ich kann tief in mich hineinspüren. Da ist nichts Langweiliges und Trübsinniges im Moment, alles ist wunderschön; ich fühle mich glücklich. Es ist allgemein so, dass mein Mund trocken wird, wenn ich aufgeregt bin und mein Hals auch. Ich muss dann auch sehr oft Wasser lassen, manchmal sogar alle 10 Minuten.
GK: Erzählen Sie mir von Ihren Träumen.
P: Ich schäme mich fast, Ihnen davon zu erzählen. Ich habe schlimme Träume. Ich träume immer von Mädchen. Nach den Träumen wache ich sehr erregt auf.
Analyse
Hier gibt es eine klare Polarität zwischen Aufregung/Erregung und Dumpfheit. Der Patient reagiert auf Veränderungen: selbst die kleinsten Dinge setzen ihm zu und ich entschließe mich für eine Verschreibung aus dem Pflanzenreich mit dem Widerspruch Aufregung/Dumpfheit als zentrales Thema. Bei den Labiatae (Lippenblütler) finden wir diese Form der Erregung: lebhaft, angenehm und bebend mit dem Gegenteil der Langeweile und Dumpfheit. Die Migräne tritt periodisch auf und ich entscheide mich für Collinsonia, ein Mittel aus dem Malaria-Miasma.
Verschreibung: Collinsonia 1M
Follow-up einen Monat später: Seit einem Monat hat der Patient keine Kopfschmerzen mehr und fühlt sich auch mental etwas besser. Ich beschließe, den Fall noch etwas länger zu beobachten.
Follow-up nach drei Monaten: Er ruft wegen einer heftigen Migräne an und möchte sehr dringend einen Termin.
P: Seit gestern Nacht habe ich unglaublich heftige Kopfschmerzen. Ich kann es nicht ertragen. Es ist schrecklich. Es fühl sich an, als würde mein Kopf jeden Moment zerbersten. Ich glaube, er ist innen geschwollen (Geste).
GK: Wie haben die Kopfschmerzen angefangen und welche Symptome haben Sie?
P: Gestern war Feiertag und ich war zu Hause. Ich habe mir mit meiner Familie im Fernsehen ein Kricketmatch angeschaut. Es war ein außergewöhnliches Match: Bis zum Ende stand nicht fest, wer gewinnen würde. Es hat sich über den ganzen Tag hingezogen und war erst um 23.30 Uhr vorbei. Die ganze Familie war in heller Aufregung, alle hatten Spaß, waren entspannt. Aber als das Spiel vorbei war, kamen die Kopfschmerzen: Sie haben ganz langsam angefangen, wurden aber so stark, dass ich mich zwei oder drei Mal übergeben musste, was nichts gebracht hat. Ich hatte noch nie so heftige Kopfschmerzen gehabt und auch nicht so lange. Ich glaube, die Aufregung um das Kricketmatch war der Auslöser. Es ist das erste Mal, dass ich einen Auslöser für meine Kopfschmerzen erkennen konnte.
GK: Wie haben Sie sich während der Fernsehübertragung gefühlt?
P: Es war pure Aufregung. Wir saßen alle vor dem Fernseher und jeder einzelne Moment war aufregend. Ich war so energiegeladen, habe geschrien und mitgefiebert, ich war ständig in Bewegung.
GK: Was empfinden Sie, wenn Sie so erregt sind?
P: Ich bin glücklich, ich habe so viel Spaß. Es fühlt sich an, als wäre jede einzelne Zelle in meinem Körper aktiv und erregt. Ich habe das Gefühl, als rausche etwas durch meinen Körper hindurch, von den Füßen bis zum Kopf. Mir wird warm und es ist, als würde mein Blut mit voller Kraft durch den Körper gepumpt. Alles an mir wird so aufgeregt, dass ich innerlich die Wärme spüre, atemberaubende Momente, alles arbeitet in mir, schnell (er redet sehr schnell).
GK: Beschreiben Sie das: „Alles arbeitet in mir“.
P: Ich kann jede einzelne Zelle in meinem Körper spüren. In diesem Moment ist nichts träge oder schläfrig, alles ist in Bewegung. Jeder Teil meine Körpers läuft zur Hochform auf. Ich kann spüren, wie mein Blut durch die Adern fließt. Ich nehme jede Veränderung in meinem Körper wahr. Nur ein paar Sekunden zuvor ist alles normal und plötzlich hat sich alles verändert, als wärst du ein völlig anderer Mensch. Du bist träge, faul und entspannt und plötzlich bist du wachsam und aktiv. Alles in dir ändert sich.
Die Aufregung ist jetzt nicht mehr das zentrale Element, sondern der ‚Prozess‘, der Ablauf der Erregung. In der Erstanamnese war mir ein Fahler unterlaufen, ich hatte das Thema ‚Erregung/Aufregung‘ als etwas Selbstverständliches betrachtet und nicht versucht, an dieser Stelle nachzuforschen. Es geht in der Tat nicht nur um Erregung, sondern darum, wie sich diese ‚Erregung‘ im Körper abspielt, also den physiologischen Ablauf der Erregung.
GK: Sie machen das sehr gut, erzählen Sie weiter…
P: Es ist, als würde etwas in dir brodeln. Wenn, zum Beispiel, dich jemand beschimpft, dann merkst du, wie das Blut in dir hochkocht. Es ist die pure Erregung, sonst nichts.
GK: Vergessen Sie bitte für einen Moment sich selbst und erzählen Sie bitte, was Erregung für Sie allgemein bedeutet.
P: Erregung ist nichts anderes als ein Phänomen oder Prozess, der sich in unserem Körper abspielt. Es ist nichts weiter als ein Prozess, der von Kopf und Körper koordiniert wird. Der Kopf gibt die Befehle und der Körper wird wachsam. Ich glaube, dass in diesem Moment bestimmte Chemikalien eine große Rolle spielen. Mein ganzer Körper war auf Alarmstufe rot.
Patienten, die eine Sarkode als Heilmittel benötigen, vergleichen ihre Erfahrungen und Empfindungen oft mit Prozessen, die im Körper stattfinden. Manchmal bringen sie ihre Empfindungen mit einem spezifischen Organ oder körpereigenen System in Verbindung.
GK: Chemikalien?
P: Ja, das Gehirn teilt dem Körper durch bestimmte Chemikalien mit, was er tun muss. Oder direkt durch die Nerven, die den Körper anregen, Chemikalien auszuschütten und die sich dann sehr schnell über das Blut verteilen. Damit die Chemikalie schnell am Zielorgan ankommt, sorgt der Körper dafür, dass das Blut gut und schnell zirkuliert – deshalb gibt es auch diesen ‚Rush‘. Ich habe weder Medizin noch Biologie studiert, ich kann Ihnen nur berichten, was ich kenne und was ich beschreiben kann. Erregung ist nichts weiter als ein koordinierter Vorgang zwischen Gehirn und Körper.
GK: Beschreiben Sie diesen Vorgang etwas näher.
P: Es ist ein Vorgang, bei dem dein ganzes Wesen von einer chemischen Reaktion gepackt wird. Nehmen wir mal an, etwas in dir verändert sich ganz plötzlich und unerwartet. Dann reagieren Gehirn und Körper sehr schnell mithilfe chemischer Reaktionen. Es geht dabei nur darum, Geist und Körper zu stabilisieren. So wird der Körper mit unerwarteten Situationen fertig, es handelt sich um ein Reaktionsmuster deines Wesens. Zum Beispiel: Du stehst mit einer fremden Frau da und plötzlich berührt dich deine Freundin unerwartet von hinten. Was passiert wohl? Wir sprechen von einer Adrenalin-Reaktion.
GK: Einer Adrenalinreaktion?
P: Ja, genau. Adrenalin gehört zu den Chemikalien, die der Körper produziert, wenn etwas Plötzliches passiert, ein Schreck oder eine Aufregung. Wenn du z.B. zum ersten Mal deine Freundin küsst oder wenn du wütend bist oder ein Film im Fernsehen anschaust, oder wenn du schlechte Nachrichten erfährst. Es ist Teil des Abwehrmechanismus deines Körpers. Ich glaube, der liebe Gott hat mir aus Versehen eine Adrenalinfabrik eingebaut (lacht sehr laut auf)!
GK: Was empfinden Sie jetzt in diesem Moment?
P: Ich weiß nicht warum, aber meine Kopfschmerzen sind weg. Zum ersten Mal in meinem Leben haben meine Kopfschmerzen ohne Schmerztabletten aufgehört. Ich glaube, Sie haben einen heilsamen Einfluss auf mich (er lacht)!
GK: Welche Schlussfolgerung ziehen Sie aus unserem Gespräch heute?
P: Ich verstehe jetzt, dass ich mehr reagiere als agiere. Ich glaube, diese Erregung ist mein Reaktionsmuster (lacht)
Analyse:
Zwischen der ersten und zweiten Anamnese ist ein deutlicherUnterschied zu erkennen, ob wohl in beiden das Thema ‚Aufregung/Erregung‘ im Vordergrund steht. Während der Erstanamnese bin ich nicht tiefer in seine Empfindung eingetaucht. Beim zweiten Termin jedoch kamen wir zu einer ‚unsinnigen‘ Empfindung, die er für sich voll und ganz nachvollziehen konnte.
Nun war es mit Rückblick auf das erste Gespräch leichter für mich, die Sprache dieser ‚unsinnigen‘ Empfindung zu verstehen. Der Patient spricht über einen physiologischen Mechanismus, der in seinem Körper stattfindet und ich weiß von früheren Fällen, dass es die Sprache der Sarkoden ist. Er bringt diesen Vorgang in Verbindung mit der Adrenalinreaktion und man kann die angezeigte Arznei sehr deutlich erkennen.
Verschreibung: Adrenalin 1M
Follow-up einen Monat später, nach Adrenalin:
Der Patient hat keine Kopfschmerzen mehr und er fühlt sich extrem wohl. Er ist ruhiger als vorher geworden und das Mittel wird nicht wiederholt.
Follow-up vier Monate später: keine Kopfschmerzen, aber er fängt wieder an, auf andere Leute heftig zu reagieren. Seine Frau berichtet, dass er oft Streit sucht. Adrenalin 1M wird wiederholt.
Follow-up nach 18 Monaten: Seit der letzten Mitteleinnahme hatte er einmal Kopfschmerzen, die aber wieder von alleine und ohne Schmerzmittel verschwanden. Er hatte insgesamt zwei Gaben des homöopathischen Mittels bekommen. Er ist ruhiger geworden. Er berichtet: „Jetzt treffe ich Entscheidungen mit meinem Verstand und nicht aus einer Reaktion heraus. Mir ist inzwischen klar geworden, dass mein Reaktionssystem vorher nicht sehr gut funktionierte und dass ich deswegen krank wurde.“
Steroid-Sarkoden:
Hoch reaktiv:
In allen meiner Fälle, die eine Steroid-Sarkode benötigten, gab es eine gewisse Reaktivität oder Impulsivität. Hinter den Reaktionen steckt keine Überlegung: Sie reagieren plötzlich und impulsiv.
Schnell und hastig:
Eine weitere Facette ihrer Überreaktion sind Ungeduld und Eile. Alles, was sie tun, tun sie in Eile und mit großer Geschwindigkeit. Sie wollen alles innerhalb kürzester Zeit erledigen.
Hochgradig instabil:
Stabilität ist ein wichtiges Thema im Leben dieser Patienten. Im Grunde genommen sind sie äußerst instabil und leicht zu beeinflussen; es ist, als wären sie von jemand anderem fremdbestimmt und hätten keine Kontrolle über ihr eigenes Leben. Manche Patienten versuchen, durch ihre schnellen und furiosen Aktionen die Kontrolle zu behalten.
Unruhe:
Körperlich sind sie sehr unruhig und bewegen sich schnell. Sie bewegen ständig Hände oder Beine oder machen unwillkürliche Bewegungen.
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Fotos
Shutterstock; imagedb.com
Shutterstock; Gustavo Frazao
Kategorie: Fälle
Schlüsselwörter: Aufregung/Erregung, Reaktion, reaktiv, Mechanismus, chemische Reaktion, Sarkode
Mittel: Adrenalin
Die Aufregung liegt mir im Blut: ein Fall von AdrenalinVon Ghanshyam Kalathia Der 32-jährige Patient kommt wegen einer Migräne. Ghanshyam Kalathia (GK): Bitte erzählen Sie von sich und Ihren Beschwerden. P: Seit 5 Jahren leide ich unter Migräne. Die Schmerzen sind sehr, sehr heftig. Ich kann mich auf nichts konzentrieren. Wenn ich etwas lese oder einen Jahresbericht oder eine Zwischenbilanz anfertigen muss, dann bekomme ich diese Kopfschmerzen. Immer, wenn ich mich auf eine Sache konzentrieren muss, habe ich einen Anfall. Wenn die Schmerzen einmal da sind, dann werde ich sie nicht mehr los. In den letzten zwei, drei Monaten ist mir aufgefallen, dass die Kopfschmerzen besser werden, wenn ich während eines Anfalls viel und gut esse. Dann geht es mir besser. GK: Was empfinden Sie während der Schmerzen im Kopf? P: Es fühlt sich an, als würde mein Kopf immer größer werden (Geste). Ich habe das Gefühl, dass mein Kopf mit den Schmerzen anschwillt – es kommt mir nicht nur so vor, sondern ich kann manchmal sehen, dass mein Kopf größer als sonst ist, wenn ich in den Spiegel schaue. Meistens fangen die Schmerzen hier an (im Bereich des ersten Halswirbels) und ziehen von da nach oben. Manchmal erstreckt es sich über den ganzen Kopf und manchmal sind es heftige, schießende Schmerzen, wie Elektroschocks, die von der Schädelbasis bis zur Stirn gehen. GK: Was machen diese Schmerzen mit Ihnen? P: Seit ich diese Kopfschmerzen habe, habe ich mein Interesse verloren. Mein Leben hat seinen Reiz verloren. Ich würde am liebsten gar nichts mehr tun. Nichts ist mehr wichtig. Alles besteht nur noch aus Routine, ist immer gleich, nichts Besonderes mehr. Ich vermisse meine wilde Studentenzeit. GK: Erzählen Sie bitte von Ihrer wilden Studienzeit… P: Sie hatte einen gewissen Reiz. Alles war interessant und aufregend, manchmal habe ich sogar das Essen und Trinken vergessen. Ich hasse meinen jetzigen Job, er ist sehr, sehr langweilig, immer das Gleiche, es gibt keine Abwechslung. Es ist alles Routine und belanglos, es passiert nichts Interessantes. Keine Aufregung, kein Buzz. Alles ist einfach langweilig und saugt die Schönheit und den Reiz des Lebens auf. Ich habe das Gefühl, mein Leben und meine Jugend mit dieser langweiligen Arbeit zu verschwenden. Mein Alter hat sich gefühlt verdoppelt seit ich diesen Job habe. Das Leben hat definitiv seinen Reiz verloren. GK: Was macht den Reiz des Lebens aus? P: Der Reiz liegt darin, dass man sich jünger fühlt als man eigentlich ist. Man genießt jeden Moment. Man schöpft aus dem Vollen; man lebt ein schönes Leben. Das geht nur, wenn jeder Moment des Lebens aufregend ist. Wenn alles aufregend ist, dann gibt es keinen Platz für Langeweile, Trübsinn und Routine in deinem Leben. GK: Was ist der Unterschied zwischen einem langweiligen und einem aufregenden Leben? P: In einem langweiligen Leben gibt es keinen Reiz. In einem aufregenden Leben fühlt man sich jünger und aktiver. Ständig denkt man „Lass uns dies und jenes tun“. Alles ist einfach nur interessant. Du versuchst, jeden Moment deines Lebens zu genießen. Er wirkt jetzt animiert, spricht schneller und sein ganzer Körper kommt in Bewegung. GK: Lassen wir Ihr Leben einmal beiseite. Wir unterhalten uns jetzt ganz allgemein. Antworten Sie mir bitte ganz spontan mit dem, was Ihnen in den Sinn kommt. Was bedeutet Aufregung? P: Aufregung heißt, dass man mit Freude und Glück erfüllt ist. Alles an dir ist aufgeregt und du fühlst diese Wärme in deinem Körper. Du fühlst Deinen Körper in Bewegung, als würde alles hineinströmen, hineinrauschen. Mein Kopf wird ganz heiß, wenn ich aufgeregt bin; ich fühle die Hitze hier (linke Kopfhälfte). Ich kann die Aufregung förmlich sehen, während er erzählt. GK: Erzählen Sie bitte mehr über die Aufregung… P: Jetzt gerade bin ich sehr aufgeregt. Ich kann die Wärme in meinem ganzen Körper spüren und habe das Gefühl, als würde etwas in mir nach oben rauschen, wie Wellen. Jetzt muss ich nicht mehr an mein langweiliges, graues Leben denken. Ich fühle mich innerlich gestärkt. Es fühlt sich an, als wäre jede einzelne Zelle in meinem Körper aktiv und erfrischt. In diesem Moment stagniert nichts in mir. Ich kann tief in mich hineinspüren. Da ist nichts Langweiliges und Trübsinniges im Moment, alles ist wunderschön; ich fühle mich glücklich. Es ist allgemein so, dass mein Mund trocken wird, wenn ich aufgeregt bin und mein Hals auch. Ich muss dann auch sehr oft Wasser lassen, manchmal sogar alle 10 Minuten. GK: Erzählen Sie mir von Ihren Träumen. P: Ich schäme mich fast, Ihnen davon zu erzählen. Ich habe schlimme Träume. Ich träume immer von Mädchen. Nach den Träumen wache ich sehr erregt auf. Analyse Hier gibt es eine klare Polarität zwischen Aufregung/Erregung und Dumpfheit. Der Patient reagiert auf Veränderungen: selbst die kleinsten Dinge setzen ihm zu und ich entschließe mich für eine Verschreibung aus dem Pflanzenreich mit dem Widerspruch Aufregung/Dumpfheit als zentrales Thema. Bei den Labiatae (Lippenblütler) finden wir diese Form der Erregung: lebhaft, angenehm und bebend mit dem Gegenteil der Langeweile und Dumpfheit. Die Migräne tritt periodisch auf und ich entscheide mich für Collinsonia, ein Mittel aus dem Malaria-Miasma. Verschreibung: Collinsonia 1M Follow-up einen Monat später: Seit einem Monat hat der Patient keine Kopfschmerzen mehr und fühlt sich auch mental etwas besser. Ich beschließe, den Fall noch etwas länger zu beobachten. Follow-up nach drei Monaten: Er ruft wegen einer heftigen Migräne an und möchte sehr dringend einen Termin. P: Seit gestern Nacht habe ich unglaublich heftige Kopfschmerzen. Ich kann es nicht ertragen. Es ist schrecklich. Es fühl sich an, als würde mein Kopf jeden Moment zerbersten. Ich glaube, er ist innen geschwollen (Geste). GK: Wie haben die Kopfschmerzen angefangen und welche Symptome haben Sie? P: Gestern war Feiertag und ich war zu Hause. Ich habe mir mit meiner Familie im Fernsehen ein Kricketmatch angeschaut. Es war ein außergewöhnliches Match: Bis zum Ende stand nicht fest, wer gewinnen würde. Es hat sich über den ganzen Tag hingezogen und war erst um 23.30 Uhr vorbei. Die ganze Familie war in heller Aufregung, alle hatten Spaß, waren entspannt. Aber als das Spiel vorbei war, kamen die Kopfschmerzen: Sie haben ganz langsam angefangen, wurden aber so stark, dass ich mich zwei oder drei Mal übergeben musste, was nichts gebracht hat. Ich hatte noch nie so heftige Kopfschmerzen gehabt und auch nicht so lange. Ich glaube, die Aufregung um das Kricketmatch war der Auslöser. Es ist das erste Mal, dass ich einen Auslöser für meine Kopfschmerzen erkennen konnte. GK: Wie haben Sie sich während der Fernsehübertragung gefühlt? P: Es war pure Aufregung. Wir saßen alle vor dem Fernseher und jeder einzelne Moment war aufregend. Ich war so energiegeladen, habe geschrien und mitgefiebert, ich war ständig in Bewegung. GK: Was empfinden Sie, wenn Sie so erregt sind? P: Ich bin glücklich, ich habe so viel Spaß. Es fühlt sich an, als wäre jede einzelne Zelle in meinem Körper aktiv und erregt. Ich habe das Gefühl, als rausche etwas durch meinen Körper hindurch, von den Füßen bis zum Kopf. Mir wird warm und es ist, als würde mein Blut mit voller Kraft durch den Körper gepumpt. Alles an mir wird so aufgeregt, dass ich innerlich die Wärme spüre, atemberaubende Momente, alles arbeitet in mir, schnell (er redet sehr schnell). GK: Beschreiben Sie das: „Alles arbeitet in mir“. P: Ich kann jede einzelne Zelle in meinem Körper spüren. In diesem Moment ist nichts träge oder schläfrig, alles ist in Bewegung. Jeder Teil meine Körpers läuft zur Hochform auf. Ich kann spüren, wie mein Blut durch die Adern fließt. Ich nehme jede Veränderung in meinem Körper wahr. Nur ein paar Sekunden zuvor ist alles normal und plötzlich hat sich alles verändert, als wärst du ein völlig anderer Mensch. Du bist träge, faul und entspannt und plötzlich bist du wachsam und aktiv. Alles in dir ändert sich. Die Aufregung ist jetzt nicht mehr das zentrale Element, sondern der ‚Prozess‘, der Ablauf der Erregung. In der Erstanamnese war mir ein Fahler unterlaufen, ich hatte das Thema ‚Erregung/Aufregung‘ als etwas Selbstverständliches betrachtet und nicht versucht, an dieser Stelle nachzuforschen. Es geht in der Tat nicht nur um Erregung, sondern darum, wie sich diese ‚Erregung‘ im Körper abspielt, also den physiologischen Ablauf der Erregung. GK: Sie machen das sehr gut, erzählen Sie weiter… P: Es ist, als würde etwas in dir brodeln. Wenn, zum Beispiel, dich jemand beschimpft, dann merkst du, wie das Blut in dir hochkocht. Es ist die pure Erregung, sonst nichts. GK: Vergessen Sie bitte für einen Moment sich selbst und erzählen Sie bitte, was Erregung für Sie allgemein bedeutet. P: Erregung ist nichts anderes als ein Phänomen oder Prozess, der sich in unserem Körper abspielt. Es ist nichts weiter als ein Prozess, der von Kopf und Körper koordiniert wird. Der Kopf gibt die Befehle und der Körper wird wachsam. Ich glaube, dass in diesem Moment bestimmte Chemikalien eine große Rolle spielen. Mein ganzer Körper war auf Alarmstufe rot. Patienten, die eine Sarkode als Heilmittel benötigen, vergleichen ihre Erfahrungen und Empfindungen oft mit Prozessen, die im Körper stattfinden. Manchmal bringen sie ihre Empfindungen mit einem spezifischen Organ oder körpereigenen System in Verbindung. GK: Chemikalien? P: Ja, das Gehirn teilt dem Körper durch bestimmte Chemikalien mit, was er tun muss. Oder direkt durch die Nerven, die den Körper anregen, Chemikalien auszuschütten und die sich dann sehr schnell über das Blut verteilen. Damit die Chemikalie schnell am Zielorgan ankommt, sorgt der Körper dafür, dass das Blut gut und schnell zirkuliert – deshalb gibt es auch diesen ‚Rush‘. Ich habe weder Medizin noch Biologie studiert, ich kann Ihnen nur berichten, was ich kenne und was ich beschreiben kann. Erregung ist nichts weiter als ein koordinierter Vorgang zwischen Gehirn und Körper. GK: Beschreiben Sie diesen Vorgang etwas näher. P: Es ist ein Vorgang, bei dem dein ganzes Wesen von einer chemischen Reaktion gepackt wird. Nehmen wir mal an, etwas in dir verändert sich ganz plötzlich und unerwartet. Dann reagieren Gehirn und Körper sehr schnell mithilfe chemischer Reaktionen. Es geht dabei nur darum, Geist und Körper zu stabilisieren. So wird der Körper mit unerwarteten Situationen fertig, es handelt sich um ein Reaktionsmuster deines Wesens. Zum Beispiel: Du stehst mit einer fremden Frau da und plötzlich berührt dich deine Freundin unerwartet von hinten. Was passiert wohl? Wir sprechen von einer Adrenalin-Reaktion. GK: Einer Adrenalinreaktion? P: Ja, genau. Adrenalin gehört zu den Chemikalien, die der Körper produziert, wenn etwas Plötzliches passiert, ein Schreck oder eine Aufregung. Wenn du z.B. zum ersten Mal deine Freundin küsst oder wenn du wütend bist oder ein Film im Fernsehen anschaust, oder wenn du schlechte Nachrichten erfährst. Es ist Teil des Abwehrmechanismus deines Körpers. Ich glaube, der liebe Gott hat mir aus Versehen eine Adrenalinfabrik eingebaut (lacht sehr laut auf)! GK: Was empfinden Sie jetzt in diesem Moment? P: Ich weiß nicht warum, aber meine Kopfschmerzen sind weg. Zum ersten Mal in meinem Leben haben meine Kopfschmerzen ohne Schmerztabletten aufgehört. Ich glaube, Sie haben einen heilsamen Einfluss auf mich (er lacht)! GK: Welche Schlussfolgerung ziehen Sie aus unserem Gespräch heute? P: Ich verstehe jetzt, dass ich mehr reagiere als agiere. Ich glaube, diese Erregung ist mein Reaktionsmuster (lacht) Analyse: Zwischen der ersten und zweiten Anamnese ist ein deutlicherUnterschied zu erkennen, ob wohl in beiden das Thema ‚Aufregung/Erregung‘ im Vordergrund steht. Während der Erstanamnese bin ich nicht tiefer in seine Empfindung eingetaucht. Beim zweiten Termin jedoch kamen wir zu einer ‚unsinnigen‘ Empfindung, die er für sich voll und ganz nachvollziehen konnte. Nun war es mit Rückblick auf das erste Gespräch leichter für mich, die Sprache dieser ‚unsinnigen‘ Empfindung zu verstehen. Der Patient spricht über einen physiologischen Mechanismus, der in seinem Körper stattfindet und ich weiß von früheren Fällen, dass es die Sprache der Sarkoden ist. Er bringt diesen Vorgang in Verbindung mit der Adrenalinreaktion und man kann die angezeigte Arznei sehr deutlich erkennen. Verschreibung: Adrenalin 1M Follow-up einen Monat später, nach Adrenalin: Follow-up vier Monate später: keine Kopfschmerzen, aber er fängt wieder an, auf andere Leute heftig zu reagieren. Seine Frau berichtet, dass er oft Streit sucht. Adrenalin 1M wird wiederholt. Follow-up nach 18 Monaten: Seit der letzten Mitteleinnahme hatte er einmal Kopfschmerzen, die aber wieder von alleine und ohne Schmerzmittel verschwanden. Er hatte insgesamt zwei Gaben des homöopathischen Mittels bekommen. Er ist ruhiger geworden. Er berichtet: „Jetzt treffe ich Entscheidungen mit meinem Verstand und nicht aus einer Reaktion heraus. Mir ist inzwischen klar geworden, dass mein Reaktionssystem vorher nicht sehr gut funktionierte und dass ich deswegen krank wurde.“ Steroid-Sarkoden: Hoch reaktiv: Schnell und hastig: Hochgradig instabil: Unruhe: ****************************** Fotos Shutterstock; imagedb.com Kategorie: Fälle Schlüsselwörter: Aufregung/Erregung, Reaktion, reaktiv, Mechanismus, chemische Reaktion, Sarkode Mittel: Adrenalin
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